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Ein Thema – zwei Meinungen

Im Februar trat die Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD in Bad Boll zu ihrer jährlichen Tagung zusammen. Dort wurde schwerpunktmäßig über die Friedenskundgebung der EKD-Synode von November 2019 diskutiert. Darin bezeugt die Synode, am Grundsatz der christlichen Friedensethik festzuhalten und zivilen und gewaltfreien Mitteln der Konfliktlösung den Vorrang zu geben vor militärischen Lösungen. Zudem fordert sie die Bundesregierung auf, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben und die Klimaschutzziele aus dem Pariser Abkommen umzusetzen. Doch gehen diese Forderungen weit genug?

EKD-Friedenskundgebung
Foto: Patrick Fore/unsplash

Synode geht keinen Schritt

Von Rolf Wischnath

Nicht nur die Bezeichnung „Kundgebung“, sondern der gesamte Stil der Veröffentlichung der EKD-Synode zur Friedensethik ist hoheitsvoll, gleichsam im Berliner Dom geschrieben. Die Abfassung lässt keinerlei triftige theologische Reflexion entdecken: Die mancherlei „geistlichen“ Sätze und Bibelsprüche sind unzusammenhängend.

Und soll man sich nun vorstellen, Leser*innen gerieten aus dem Häuschen, wenn sie mit solchen Sätzen angesprochen werden: „Gott steht den Opfern bei … Wir haben Anteil an der Friedensbewegung Gottes in diese Welt hinein … Wir rufen die politisch Verantwort­lichen dazu auf, militärische Gewalt und kriegerische Mittel zu überwinden … Wir nehmen eine wachsende Schere zwischen Arm und Reich und soziale Benachteiligung wahr …. Wir sprechen uns für ein entschiedenes Engagement von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur Einhaltung der ökologischen Grenzen unserer Erde aus.“ Meine Güte!

Die Synode in Dresden spricht die Klimagerechtigkeit für den Frieden an. Ansonsten wird kein heißes Eisen angepackt: Die Auslands­einsätze der Bundeswehr – ihr Scheitern und ihr Erfolg – kommen nicht vor. Die Präsident Trump gehorchende Erhöhung des Wehretats – die ja faktisch eine Verdoppelung bedeutet – ist keiner Erwähnung wert.

Deutschland ist der viertgrößte Waffen­exporteur der Welt und liefert auch in die Krisengebiete. Kein Wort dazu. Die ethische „Ausgewogenheit“ der Stellung zu den Atomwaffen wird – wie immer seit den 1950er Jahren (Heidelberger Thesen 1959) – erneut kundgetan. Sie wird mit einem Satzungetüm verbrämt: „Uns erscheint heute angesichts einer mangelnden Abrüstung, der Modernisierung und der Verbreitung der Atomwaffen die Einsicht unausweichlich, dass nur die völkerrechtliche Ächtung und das Verbot von Atomwaffen den notwendigen Druck aufbaut, diese Waffen gänzlich aus der Welt zu verbannen.“

Nicht einmal den, auf den damaligen Außenminister Guido Westerwelle zurückgehenden Bundestagsbeschluss vom 26. März 2010, die Bundesregierung solle „sich mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland (Büchel) einsetzen“, kann die Synode nachsprechen. Stattdessen: „Wir fordern die Bundesregierung auf, konkrete Schritte ein­zuleiten mit dem Ziel, den Atomwaffenverbotsantrag zu unterzeichnen. Dies setzt Gespräche und Verhandlungen mit den Partnern in NATO, EU und OSZE voraus.“ Erst recht ist an die Forderung, die Bundeswehrübungen in Rheinland-Pfalz für den Einsatz des Teufelszeugs zu beenden, nicht einmal zu denken.
Summa: Was ist zu hören und zu sehen? Die Synode hebt leise den linken Fuß. Aber sie geht keinen Schritt.

Rolf Wischnath war von 1995 bis 2004 Generalsuperintendent für den damaligen Sprengel Cottbus und von 1991 bis 2004 Mitglied der EKD-Synode. Heute lebt er in Gütersloh.

Gemeinsames Fundament

Von Harald Geywitz

An der Friedenskundgebung der EKD wurde aus zwei Richtungen Kritik laut: Den einen fehlt ein klareres Bekenntnis zum Pazifismus und dem vollständigen Atomwaffenabzug aus Deutschland. Den anderen geht der pazifistische Grundton zu weit und sie sehen ein unrealistisches Bild von der Lage in der Welt gezeichnet. Wollte ich es mir leicht machen, so könnte ich feststellen: Wenn beide Seiten gleichermaßen kritisieren, kann die Position in der Mitte nicht verkehrt sein. Doch so einfach mache ich es mir nicht, denn Frieden ist für uns als Kirche und unser Wirken in der Welt ein zentrales Thema und rhetorische Spiegelfechtereien fehl am Platze.

Was ist eine Kundgebung eigentlich? Sie ist Inhalten mit grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten und soll die Sicht der evangelischen Kirche insgesamt widergeben. Daher ist in der EKD eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Wer die Spannbreite der friedensethischen und -theologischen Debatten kennt, weiß, wie schwierig eine solche Mehrheit zu erreichen ist. Das ist gut so, denn es geht um ein gemein­sames Fundament.

Die Friedenskundgebung ist ein solches neues Fundament. Doch sie löst nicht alles ab, was bisher dazu gedacht oder geschrieben wurde. Sie ist ein Update zur Denkschrift von 2007 und lenkt unseren Blick auf Themen, die damals weniger im Fokus standen.

Angefangen von den katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, daran anknüpfend, wofür sich Christ*innen viele Jahre im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung engagieren. Weiter werden die immensen friedensethischen Herausforderungen durch automatisierte, teilautonome und unbemannte Waffen sowie die Gefahren durch Massenvernichtungswaffen und die Forderung nach einem Atomwaffenverbotsvertrag klar benannt. Auch der Cyberraum erfährt eine erste Betrachtung und dort wird ebenfalls der zivilen Konfliktprävention Vorrang gegeben.

Nicht zuletzt widmet sich die Kundgebung den Fragen des gesellschaftlichen Friedens. Weltweit verschieben sich die Gewichte von der sozialen Gemeinschaft zum absolut gesetzten Wohl des Einzelnen und die Räume schwinden, in denen respektvoll und friedlich miteinander um die richtigen Wege gerungen wird.

Vielleicht sind bei der Suche nach breitem Konsens Formulierungen aus Sicht mancher zu lau geraten. Doch womöglich sind diese auch das Echo alter und gleichsam neuer Sorgen und Ängste und zeigen das Bedürfnis nach Sicherheit und Frieden in einer sich grundlegend wandelnden Welt. Die Friedenskundgebung bietet ein hohes Maß an Mehrdimensionalität: Europa, Klimawandel, gesellschaftlicher Friede, Cyberraum. Sie wirft damit einen umfassenden Blick auf Frieden und Gerechtigkeit und mahnt uns als Kirche, daraus zu wirken und Gesprächsraum auf dem Weg zu sein.

Harald Geywitz ist Politikwissenschaftler und Mitglied der EKD- sowie der EKBO-Synode.



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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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