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Ein Weihnachtsstern als Hoffnungszeichen

Das erste Weihnachten nach der Flut im Ahrtal: Viele sind seelisch entkräftet

Die Menschen im Ahrtal haben in der Flut im Juli Schreckliches erlebt. Jetzt steht Weihnachten vor der Tür, und viele leben noch immer im Provisorium. Foto: Meike Böschemeyer/epd

Von Alexander Lang (epd)

Renate Pilz ist nicht nach Weihnachten zumute. „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr“, seufzt die 82-Jährige aus dem rheinland-pfälzischen Sinzig. Als in der Nacht auf den 15. Juli die Flut kam und das Wasser meterhoch stieg, wurde ihr Haus an der Ahr zerstört. In letzter Sekunde flüchtete sie aus dem Keller ins Obergeschoss, Feuerwehrleute retteten sie mit einem Boot. Ihre Nachbarin ertrank in der Flut. Jetzt wohnt Renate Pilz bei ihrem Sohn –und wartet noch immer auf den Gutachter für die Wiederaufbauhilfe.

Mit den Nerven am Ende


So wie ihr geht es etlichen Menschen im Ahrtal, die die Flutkatastrophe vor fünf Monaten überlebt haben. Viele seien mit den Nerven am Ende, körperlich und seelisch entkräftet, sagt die Sinziger Pfarrerin Kerstin Laubmann. Und gerade jetzt, zur Weihnachtszeit, brächen Gefühle der Verzweiflung, Wut und Einsamkeit besonders stark auf.

Manche, so scheint es, haben die Hoffnung verloren, dass es für sie und ihre Familien schnell besser wird. Andere blicken nach vorn, haben die Fassaden ihrer Häuser mit Lichterketten geschmückt und Weihnachtssterne in die Fenster ­gehängt. „Jetzt kommen die Erinnerungen hoch, der Gesprächsbedarf steigt“, sagt Pfarrerin Laubmann. Seit kurzem lädt sie freitagnachmittags ein in das „Café SolidAHRität“ im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Remagen-Sinzig. Zu dem offenen ökumenischen Treff sind diesmal mehr als 20 vor allem ältere Menschen gekommen. Bei Kaffee und Kuchen tauschen sie sich zwei Stunden lang aus, stützen sich gegenseitig.

„Man bekommt einfach mal den Kopf frei und sieht, wie es anderen so geht“, sagt Carla Hellmann. Die 75-Jährige ist frustriert, weil der Wiederaufbau im Ahrtal nur langsam vorankommt. „Man kriegt keine Handwerker“, wirft Inge Kriechel (78) ein. Auf 200000 Euro summierten sich die Sanierungskosten für ihr flutgeschädigtes Haus, erzählt sie: „Wie soll ich das bezahlen als Rentnerin? Meine Hoffnung ist weg.“

Auch Herbert Groß, 63 Jahre alt, weiß noch nicht, wie es weitergeht. Beim Bau seines Hauses schloss er keine Elementarschutzversicherung ab – und muss jetzt bangen, dass er die Kosten des Wiederaufbaus selbst schultern muss. In das Gemeindecafé mit anschließendem gemeinsamen Adventssingen kommt der Rentner freitags gerne: „Ich habe sonst niemanden, mit dem ich reden kann.“

Sinziger wollen in ihrer ­schönen Stadt bleiben


Die vier älteren Sinziger eint eines: Sie wollen in ihrer schönen 18000-Einwohner-Stadt bleiben, wo die Ahr in den Rhein fließt, und sie nicht wie andere verlassen. Die Stark­regenkatastrophe kostete im Ahrtal 134 Menschen das Leben; 49 Menschen starben im benachbarten Nordrhein-Westfalen. Nur knapp 200 Meter vom Sinziger Gemeindezentrum entfernt steht das frisch verputzte Gebäude der Lebenshilfe. Grablichter erinnern an die 12 ­geistig und körperlich behinderten Bewohnerinnen und Bewohner, die dort ertranken. Insgesamt 14 Menschen kamen in Sinzig in der Flut um, berichtet ­Pfarrerin Laubmann.

Die Menschen im Ahrtal stehen zusammen in der Not, und zu Weihnachten noch etwas mehr. Überall in den von der Flut betroffenen Straßenzügen hört man es hämmern. Manche Häuser sind noch immer schlammverspritzt, einige stehen leer. „Dank allen Helfern“ hat jemand auf seinen Kleinbus gesprüht.

Kinder spielen in den von Schlamm und Schutt freigeräumten Gärten, das Leben geht weiter. Netzwerke der gegenseitigen Hilfe seien entstanden, erzählt die ehren­amtliche Trauertherapeutin Sabine Reinhart. Nach ihrer Erfahrung sehnen sich die durch Corona zusätzlich ­gebeutelten Menschen vor allem wieder nach Normalität.

Singend durch die Orte


Um den Menschen das Leben ein bisschen weihnachtlich zu machen, bieten die Kirchengemeinden im Ahrtal einiges an. Pfarrerin Claudia Rössling-Marenbach aus Adenau etwa fährt mit ihrem Chor aus ­Ehrenamtlichen zum „Advents­singen“ durch die Orte. Ihre Kollegin Elke Smidt-Kulla aus Bad Neuenahr – das durch die Flut besonders schwer ­betroffen ist – bietet ­wöchentlich eine Adventsandacht an. „Mit vielen ­Kerzen und Musik in der Kirche, so wie jedes Jahr“, sagt sie. Am Heiligabend ist ein Gottesdienst in einem großen Zelt im ­Kurpark geplant.

„Es muss weitergehen, ich habe einen Schutzengel gehabt“, sagt ­Renate Pilz. Auch wenn die Sorgen groß seien, habe sie „Weihnachten im Herzen“, ergänzt Carla Hellmann. Nur die Holzfiguren ihrer Krippe hätten die Flut überstanden. Nun hätten ihr ihre Kinder einen neuen Krippenstall für das Weihnachtsfest geschenkt.

Über Hellmanns Krippe leuchtet ­Heiligabend vielleicht der Herrnhuter Stern, den ihr Pfarrerin Laubmann geschenkt hat. Der Papier­stern ist ein kleines Hoffnungszeichen, gestiftet von Menschen aus Sachsen. Das „Café SolidAHRität“ bleibt geöffnet, solange es nötig ist, verspricht die Pfarrerin.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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