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Eine Schatzkiste für die Zeit nach dem Tod

Früh verwaiste Kinder fragen sich oft, was Mama und Papa wohl erlebt oder gedacht haben. Ein bislang einzigartiges Projekt ermöglicht es schwer kranken Eltern, Hörbücher für ihre jungen Kinder aufzunehmen

Hörbücher von sterbenden Eltern
Die Kölner Journalistin Judith Grümmer hat ein Projekt entwickelt: Eltern erarbeiten ihre Lebensgeschichte mit ihr gemeinsam als Familienhörbuch für die eigenen Kinder und Angehörigen. Foto: Joachim Rieger/epd

Von Claudia Rometsch (epd)

„Das sind Verdauungsbeschwerden“, dachte sich Michael Zimmermann, als er während seiner Elternzeit immer wieder mal Bauchschmerzen hatte. Doch zwei Tage nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz erhielt der Krankenpfleger die niederschmetternde Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Wie lange er noch zu leben hat, weiß der 43-Jährige nicht genau. „Aber aus medizinischer Sicht ist es unwahrscheinlich, dass ich meinen Sohn noch aufwachsen sehe“, weiß Zimmermann, der eigentlich anders heißt. Es schmerzt ihn, dass sein anderthalbjähriger Sohn ihn mög­licherweise nie wirklich kennenlernen wird. Zimmermann fragte sich, was er tun könnte, um dem Jungen etwas von sich zu hinterlassen. 

Die Lösung war die Aufnahme eines Hörbuchs. Mittlerweile hält Zimmermann seine Audiobiografie in den Händen, in der er über sein Leben und seine Überzeugungen spricht. Durch die Erzählungen und Botschaften wird ein Stück von ihm über seinen Tod hinaus für den Sohn erhalten bleiben. „Das tröstet mich, weil ich weiß, dass es Phasen geben wird, in denen mein Sohn seinen Vater suchen wird. Und dann hat er etwas, was er anhören kann“, sagt Zimmermann. 

Entstanden ist Zimmermanns Audiobiografie im Rahmen eines bislang einzigartigen Projekts der Kölner Journalistin Judith Grümmer und der Klinik für Palliativmedizin der Universität Bonn. Die Initiative zu dem Projekt kam von Grümmer, nachdem sie bereits seit 2004 Erfahrungen mit der Produktion von Familienhörbüchern gesammelt hatte. Irgendwann kam der Medizinjournalistin der Gedanke, dass es für jüngere, sterbenskranke Eltern wichtig sein könnte, Erlebnisse und Botschaften an ihre Kinder weiterzugeben. 

Bei dem Palliativmediziner Lukas Radbruch von der Bonner Uni-Klinik lief Grümmer offene Türen ein. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin sagte ihr wissenschaftliche Unterstützung zu. Die Finanzierung sicherte die Rhein-Energie-Stiftung für die Dauer von drei Jahren. Das Projekt, das sich auf Patient*innen aus Nordrhein-Westfalen beschränkt, könnte bald in anderen Bundesländern Schule machen. Derzeit bildet Grümmer 16 Audiobiograf*innen aus verschiedenen Bundesländern sowie aus Österreich und der Schweiz aus.

25 Audiobücher entstanden bislang in dem Projekt. Die Herstellung ist zeitaufwendig. Drei Tage lang arbeitet die Journalistin zusammen mit jedem Patienten und jeder Patientin an seinem Hörbuch - soweit das der Gesundheitszustand erlaubt. Anschließend schneidet sie die Aufnahmen, strukturiert sie und arbeitet zum Beispiel auch Lieblingsmusik des Patienten ein. 

„Wir beobachten, dass den Patient*innen die Arbeit an ihrer Biografie sehr gut tut“, sagt die Psychoonkologin Michaela Hesse, die das Projekt an der Bonner Uni-Klinik begleitet. „Viele sagen, dass es ihnen ein Stück weit die Angst genommen hat.“ Durch die Erinnerungsarbeit bekämen die Menschen häufig auch eine neue Perspektive auf ihr Leben. „Oft sagen die Patient*innen, dass sie dadurch noch einmal gesehen haben, wie reich ihr Leben war.“ Auch für die Familien sei die biografische Arbeit oft eine Hilfe. „Sie fangen an, Fotoalben rauszusuchen oder sich mit Musik zu beschäftigen, die sie gemeinsam gehört haben.“

Bei Michael Zimmermann hat die Arbeit an seiner Audiobiografie lang vergessene Erlebnisse zutage befördert. „Es waren schöne Erinnerungen. Es hat mir aber auch gezeigt, was noch geklärt werden müsste.“ Die drei Aufnahmetage seien schneller vorbei gewesen als gedacht. Und es sei dabei nicht nur traurig zugegangen. „Wir haben auch viel gelacht.“

Zimmermann ist dankbar, dass er seinem Sohn auf diese Weise etwas über seine Werte mitteilen und ihm klarmachen kann, wie viel er ihm bedeutet. „Ich kann ihn nicht auf meinen Tod vorbereiten, aber ich kann ihn auf sein Leben vorbereiten.“ Und vielleicht würden sogar noch seine Enkel von dem Hörbuch profitieren. „Es ist eine Schatzkiste für die Ewigkeit über Generationen hinweg.“

Mehr Informationen zu demProjekt im Internet: 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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