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Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist

Über eine Woche nach dem Brand im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos ­campieren immer noch mehr als 12 000 obdachlose Menschen, darunter 4000 Kinder, auf ­einer Straße oder im Wald. Und das trotz großer ­Bereitschaft deutscher Städte, die Flüchtlinge aufzunehmen. ­Flüchtlingsinitiativen, Kirche und Diakonie ­kritisieren das. Wie ist die Situation vor Ort?

Pikpa Flüchtlinge Moria
Bewohnerinnen aus Pikpa bereiten Mahlzeiten zu für die Eingeschlossenen aus Moria. Foto: privat

Von Ute Gniewoß und Konrad Wolf

Die Brände im Flüchtlingscamp ­Moria waren keine Überraschung. Was passiert wohl, wenn 13000  Menschen unter unwürdigen ­Bedingungen auf engstem Raum zusammenleben müssen, mit Ausgangssperre und in dem Wissen, dass nicht entdeckte Corona­Infizierte unter ihnen sind? 

Gewalt passiert – in vielen Formen und nun eben ein Brand. Fast das ganze Lager wurde durch mehrere aufeinander folgende Brände bis zum Abend des 9. Septembers vernichtet – ein Wunder, dass niemand zu Tode gekommen ist. Sechs Tage haben die Opfer draußen auf einer Straße verbracht, der sengenden Hitze genauso ausgesetzt wie Fäkaliengestank – umzingelt von ­Polizei und Militär. Wer ist schuld daran? Die einen sagen, es sei die Europäische Union, die anderen ­sagen, es seien die griechische, ­die türkische und die deutsche Regierung.

Uns klingt das zu abstrakt, denn wir bleiben außen vor. Wir bleiben die Guten. Schuld daran ist die jetzt handlungsfähige Generation aller europäischen Länder. Wir gehören dazu und Sie vielleicht auch. Für viele von uns ist unser Sicherheitsstreben wichtiger als unser Gottvertrauen oder unsere Hoffnung auf eine gerechte Zukunft. 

Unsere Schuld besteht darin, dass wir unsere Privilegien eben doch behalten und nicht mit ­Geflüchteten aus Afghanistan oder Somalia teilen wollen, obwohl auch sie Ebenbilder Gottes sind. Nichts anderes spiegelt sich in der europäischen Flüchtlingspolitik. Wir ­haben im Fall von Moria seit vielen Monaten gewusst, was dort geschieht, noch passieren kann und vieles von dem, was wir dagegen tun können. Und wir haben es nicht ausreichend getan.

Was bewegt die Eingeschlossenen? Die einen rufen laut „Freedom“ und demonstrieren, andere wissen nicht, wie sie ihr Baby waschen und an eine Windel kommen können. Es gab und gibt Widerständige in der Bevölkerung des Lagers Moria. Sie kämpfen auch jetzt um Menschenrechte und um ihr Leben. Alle aber werden retraumatisiert und erleben sich wieder in Gefahr und ohne Perspektive.

Der Teil der lokalen Bevölkerung, der verroht und sich mit menschenfeindlichen Taten und Worten hervortut, wird größer –wie in Deutschland. Auf den ­solidarischen Teil der lokalen und internationalen Bevölkerung der Insel ist weiterhin Verlass – auch wie in Deutschland. Schnell koordinieren sie sich und schaffen ­Lebensnotwendiges erst auf verschlungenen Wegen, dann über vom Militär zugelassene Nicht­regierungsorganisationen zu den Eingeschlossenen. 

In dem kleinen Flüchtlingscamp Pikpa, unweit von Moria, in dem wir zurzeit arbeiten, haben viele der 98 Bewohner*innen dieses Camps sofort begonnen, Brot zu backen, als sie hörten, was in Moria geschehen ist. Am Montag bereiteten sie 680 Mahlzeiten zu, die Freiwillige von Spendengeldern eingekauft haben. Bewohner*innen hier in unserem Lager,  die Kontakt zu Familien aus Moria haben, bekamen Nachrichten aufs Handy von Bekannten, die schon zwei Tage nichts gegessen haben. 300 Beutel mit Kleidung wurden gepackt und Hilfsorganisationen übergeben, die sie den Obdachlosen bringen. Freiwillige verteilen unermüdlich Material an die Bedürftigen aus Moria. 

Es herrscht Chaos. Die Situation hier ist nicht unter Kontrolle, jedenfalls nicht unter der Kontrolle der Menschenrechte, wie an vielen Orten, in denen ­Geflüchtete in Lagern gehalten werden. Sie ist auch nicht wirklich unter der Kontrolle des ­Militärs, das die Aufgabe des Wiederansiedlung ohne Hilfe der Zivilgesellschaft gar nicht bewältigen könnte. Bisher ist geplant, das Lager in Moria wieder aufzubauen. Weitere Gewalttaten sind absehbar. 

Pfarrerin Ute Gniewoß und Konrad Wolf aus der Kirchengemeinde Heilig Kreuz-Passion in Berlin-Kreuzberg ­arbeiten zurzeit in dem kleinen von der griechischen Zivilgesellschaft und internationalen Freiwilligen organisierten Camp „Pikpa“ auf der Insel Lesbos. Dort werden besonders ­verletzbare Menschen begleitet. 

Wer das Camp Pikpa und seine Arbeit auf der Insel unterstützen möchte, kann hier spenden:

Evangelische Kirchengemeinde Heilig Kreuz-Passion, Evangelische Bank eG, 
IBAN: DE37 5206 0410 0203 9955 77, ­Verwendungszweck: Lesbos

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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