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Streitthema: Geflüchtete statt Senioren

Bewohner*innen müssen das Seniorenheim „Pflege und Wohnen Schillerpark“ in Berlin verlassen.

Etliche Bewohner*innen haben das Haus bereits verlassen. Foto: Sabine van Erp, CC0

Bewohnerinnen und Bewohner müssen das evangelische Seniorenheim „Pflege und Wohnen Schillerpark“ in Berlin-Wedding verlassen. Flüchtlingsfamilien ziehen dort ein. Die Johannesstift Diakonie, Träger und Betreiber des Heims, sowie das Paul-Gerhardt-Stift, Eigentümer des Geländes, standen dafür medial in der vergangenen Woche stark in der Kritik. Dem Paul-Gerhardt-Stift wird vorgeworfen, finanziell von der Umnutzung profitieren zu wollen.

Von Uli Schulte Döinghaus

Berlin. Im Jahr 2006 wurde der Mietvertrag unterschrieben. Er ­sollte mindestens 25 Jahre gelten, also bis 2031. Der Vermieter, das ­gemeinnützige evangelische Paul-Gerhardt-Stift, übergab die Wohnimmobilie mit der Büroadresse „Müllerstraße 56-58“ in Berlin-Wedding. Als Mieter unterschrieb das gemeinnützige evangelische ­Johannesstift. Über die vereinbarte Höhe der Miete ist nichts bekannt, umso mehr über die Nutzung des Gebäudekomplexes mit dem Namen „Pflege und Wohnen Schillerpark“.

Dort wurden 141 Plätze in Einzel- und Doppelzimmern für Senioren mit Pflegebedarf eingerichtet, Pflege- und Servicepersonal beschäftigt. Gesamtkosten je nach Pflegegrad zwischen 2600 und 4000 Euro pro Monat pro Zimmer. Auf der ­Basis dieser zu erwartenden Einnahmen wurde vermutlich die Miete zwischen den beiden Mietparteien vereinbart.

Kostendeckender Betrieb nicht mehr möglich


Entgegen der ursprünglichen Absicht, mindestens 25 Jahre im ­Geschäft zu bleiben, kam es schon nach 15 Jahren – also 2021 – zu neuen Gesprächen zwischen Vermieter Paul-Gerhardt-Stift und Mieter ­Johannesstift. Die Johannesstift ­Diakonie beschreibt die Sachlage so: „Vom Paul-Gerhardt-Stift wurden für alle gepachteten bzw. gemieteten Gebäude der Johannesstift ­Diakonie an der Müllerstraße deutliche Erhöhungen der Miet- und Pachtzinsen gefordert. Ein kostendeckender Betrieb wäre dadurch nicht mehr möglich gewesen.“ Man hätte die höhere Miete auf die ­pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner beziehungsweise ihre Angehörigen abwälzen müssen.

Daraufhin kam es nach Aussagen des Paul-Gerhardt-Stifts im Sommer 2022 „auf Bitten der Johannesstift Diakonie zu einer vorzeitigen Änderung des bestehenden Miet­vertrags“. Darin wurde die Schließung des Pflegewohnheims im ­gegenseitigen Einvernehmen in zwei Etappen bis zum Jahresende 2023 beschlossen. Das Johannesstift ist damit zukünftig nicht mehr ­Betreiberin der „Pflege und Wohnen Schillerpark“ und wird dort keine Senioren mehr betreuen und pflegen. Ihnen wurde gekündigt, ­einige verließen ihre Pflegewohnungen bereits. Die verbleibenden Bewohnerinnen und Bewohner ­sollen spätestens bis Ende 2023 ­ausziehen.

Das Johannesstift formuliert das Dilemma so: „Ein Teil der Bewohner*innen hat unser Angebot an­genommen, in andere Pflegeinrichtungen der Johannesstift Diakonie umzuziehen. Da sich diese Einrichtungen jedoch nicht in räumlicher Nähe des Schillerparks befinden, ist das Angebot der Johannesstift ­Diakonie nicht für alle Bewohner*-innen beziehungsweise deren Angehörige von Interesse.“ Auch für sie sucht das ­Johannesstift nach geeigneten Alternativen in und um den Berliner Wedding. Schwierig.

Ein geplanter Neubau auf dem Gelände des Evangelischen Geriatrie Zentrums Berlin (EGZB) in ­Berlin-Mitte war nicht realisierbar, teilt das Paul-Gerhardt-Stift mit. Hinzu kommt der große Mangel an Pflegefachkräften, der es vermutlich schwer macht, eine neue ­Heimat und gute Betreuung für die Seniorinnen und Senioren zu ­finden. Während sie ausziehen müssen, rücken in die freiwerdenden Räumlichkeiten, über die das Paul-Gerhardt-Stift als Eigentümer frei verfügen kann, seit Herbst 2022 neue Bewohner nach. Darüber hat es ­in der vergangenen Woche, ­angestoßen durch „Focus online“ eine ­intensive Berichterstattung ­gegeben. Tenor: „Kirchenstift in Wedding: Warum müssen die Senioren raus?“ (Berliner Kurier). Oder: „Zoff um Pachtzins. Seniorenheim wird zur Flüchtlingsunterkunft“ (Tagesspiegel).

Ein neues Zuhause für Geflüchtete


Mitte Februar begrüßte Pfarrer Martin von Essen, Stiftsvorsteher des Paul-Gerhardt-Stifts, 126 neue geflüchtete Bewohner, die nunmehr dort zwei Etagen bezogen haben, wo noch vor wenigen Monaten pflegebedürftige Senioren wohnten. Insgesamt wohnen auf dem Areal des Paul-Gerhardt-Stifts zwischen Müllerstraße und Edinburger Straße jetzt knapp 300 Geflüchtete. ­Darüber berichtete kürzlich das örtliche Nachrichtenportal „weddingweiser“.

Die Berichterstatterin schreibt: „Die renovierte Gemeinschafts­unterkunft erstreckt sich nahe der Edinburger Straße über zwei Etagen. Pro Geschoss stehen 30 Zimmer zur Verfügung. Alle Räume ­haben einen angeschlossenen Sanitärbereich. Insgesamt gibt es vier Gemeinschaftsküchen, zwei Kinderspielzimmer und zwei Gemeinschaftsbereiche.“ Ende des Jahres könnten es also 120 neue Wohnungen für geflüchtete Familien sein. Welche Einnahmen das Paul-Gerhardt-Stift dann mit Flüchtlingswohnungen erlöst, ist nicht bekannt.

Ursula Schoen, Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, ver­sicherte in der vergangenen ­Woche, diakonisches Engagement für Flüchtlinge könne „nie von ­Profitdenken geprägt sein“. Die ­Arbeit der rund 30 Mitglieds­einrichtungen der Diakonie für rund 5000 Geflüchtete sei „alles ­andere als eine Goldgrube“.

In einer früheren Fassung des Artikels wurde eine falsche Angabe gemacht. Es hieß darin, dass das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) an den Betreiber der neuen Geflüchtetenunterkunft, dem Paul-Gerhardt-Stift, eine Bruttokaltmiete von 620 Euro pro Wohnung im Monat überweist. Diese finanzielle Unterstützung bekommen jedoch ausschließlich Transferleistungsbezieher, um die Miete für eine eigene Wohnung zu bezahlen. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem auch Geflüchtete.

Bei einer Gemeinschaftsunterkunft wie der des Paul-Gerhardt-Stifts handelt es sich jedoch nicht um eine private Mietwohnung. Bei Gemeinschaftsunterkünften zahlt das LAF einen sogenannten Tagessatz pro Platz. Diesen verhandeln das Land Berlin und der Unterkunftsbetreiber individuell. Die Verträge sind nicht öffentlich. Der Tagessatz muss die Kosten für Unterbringung, soziale Betreuung, Energie, Internet, Reinigung etc. übernehmen.

die Redaktion 28.03.2023

 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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