Von Uli Schulte Döinghaus
Seit 25 Jahren sorgt das nunmehr preisgekrönte „Ökumenische Europa-Centrum Frankfurt (Oder)“ (OeC) für deutsch-polnische Begegnungen über Länder- und Konfessionsgrenzen hinweg. Ungefähr seit dieser Zeit ist der gemeinnützige Verein auch Träger des Studien- und Begegnungshauses „Hedwig von Schlesien“ für Studierende an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und dem Collegium Polonicum in der Nachbar- und Schwesterstadt Słubice.
Zurzeit bewohnen 15 Studentinnen und Studenten die oder das „Hedwig“, wie das Haus im Studentenjargon liebevoll genannt wird. Der Hintergrund: Polnische wie deutsche Katholiken verehren Hedwig von Schlesien (1174–1243) als Heilige. Aber auch deutsche und polnische Protestanten erinnern an die legendär mildtätige Herzogin, die gemeinsam mit ihrem Mann den christlichen Glauben in der Region förderte und sich besonders um die Armen sorgte. Der Legende nach soll sie sogar im Winter barfuß gegangen sein, woraufhin sie von ihrem Beichtvater ermahnt wurde, Schuhe zu tragen. Also nahm Hedwig ein Paar Schuhe in die Hand – was zu ihrem ikonografischen Erkennungszeichen wurde.
Die jungen Bewohner des Studierenden- und Gästehauses im Frankfurter Stadtzentrum verstehen sich weder als pure Wohngemeinschaft noch als Verbindungshausgemeinschaft oder als Mieter von günstigen Studentenwohnungen. „Wir sind von jedem etwas“, lacht Sebastian Pape, einer der Bewohner, „aber doch etwas Besonderes.“ Pape kann das gut beurteilen. Er ist zurzeit Mitglied im „Hausrat“, dem Selbstverwaltungsgremium der „Hedwig“. Zusammen mit drei weiteren Kommilitoninnen und Kommilitonen entscheidet er beispielsweise über Bewerber, die einziehen möchten, und organisiert ein gedeihliches Zusammenleben.
Dazu gehört ein Jahresprogramm, das in enger Zusammenarbeit mit der Ökumenischen Studierendengemeinde an der Europa-Universität auf die Beine gestellt wird. Es gibt Club- und Grillabende. Und es gibt regelmäßig einen Jahresempfang wie neulich, als Gäste und Freunde mit Snacks und Drinks, Musik und Gesprächen aus aller Herren Länder bewirtet wurden. Eine geräumige, topmodern ausgestattete Küche gehört zur „Hedwig“ und nebenan ein Gemeinschaftsraum für gemeinsame Mahlzeiten oder regelmäßige Meetings.
Kirchenmitgliedschaft spielt keine Rolle, aber: „Eine positive, interessierte Grundeinstellung gegenüber Religiosität und Christentum – das ist das, was unsere Studierenden und Gäste auszeichnet“, sagt OeC-Vorsitzender Christoph Bruckhoff. Der ehemalige Superintendent ist oberster Repräsentant des Hedwighauses gegenüber Kirche(n), städtischer Zivilgesellschaft und politischer Öffentlichkeit. Die Stadt Frankfurt ist Eigentümerin der Immobilie, die zu DDR-Zeiten mal ein Kindergarten war und heute auch deshalb von den Bewohnern sehr geschätzt wird, weil das Haus sehr nah an Stadtmitte, Universität und Oderbrücke liegt – aber ruhig am Rand einer hübschen Parkanlage.
Und was ist das Besondere? Erstens ist die Gemeinschaft mehr als nur die Summe der Bewohner. Man unterstützt sich gegenseitig während des Studiums, steht sich in Krisen bei, motiviert und hilft. Zweitens ist jede Bewohnerin, jeder Bewohner „geborenes“ Mitglied im gemeinnützigen OeC-Verein. Der hat sich Themen wie Werteorientierung verschrieben, Bildung, Erziehung, kulturelle Identitäten, Konfessionalität, gemeinsame Zukunft der Nachbarstaaten und Versöhnung zwischen Menschen im europäischen Raum. Drittens ergibt sich daraus fast automatisch die Internationalität und Überkonfessionalität im „Hedwig“: Hier lebten und leben deutsche, polnische, ukrainische, chinesische und tansanische Studierende, Christen und Nichtchristen unter einem Dach.