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Hunger ist leise und schleichend

Millionen von Menschen leiden in Afrika Hunger. In Somalia droht die größte Hungersnot seit 2011. Menschen hungern, Tiere verenden. Jana Schröder ist verantwortlich für Hilfsprojekte der Diakonie Katastrophenhilfe in dem ostafrikanischen Land. Im Gespräch mit ­Sibylle Sterzik erzählt sie von ausgetrockneten Flüssen, fehlenden Ernten und wie die Diakonie versucht, Menschenleben zu retten.

Wasserversorgung für das Vieh in Somalia. In vielen Ländern Afrikas bleibt der Regen aus. Dürre, Hitze und Hunger setzen Menschen und Tieren zu. Die Wasserversorgung für Menschen und Tiere wird unter anderem durch die Arbeit der Diakonie Katastrophenhilfe geleistet. Foto: CPD/Diakonie Katastrophenhilfe

Frau Schröder, laut UN-Angaben kann sich fast die Hälfte der ­Somalierinnen und Somalier nicht ausreichend ernähren. Wie ­schätzen Sie die Lage aktuell ein?

Die Lage ist sehr ernst! Die aktuelle Dürre ist die schlimmste seit über 40 Jahren. Diesmal sind sogar die großen Flüsse teilweise ausgetrocknet. Insbesondere die Entwicklung der Dürre in ganz Somalia, die bereits im vergangenen Jahr vorhergesagt wurde, erinnert uns sehr an 2011, als hunderttausende Menschen gestorben sind.

Wo sehen Sie die Hauptursachen? 

Bereits seit Ende 2019 hat sich die humanitäre Lage drastisch verschlechtert – die sich verschärfende Klimakrise, eine Heuschreckenplage, Corona und immer wieder aufflammende regionale Konflikte sind die Hauptgründe. Die Klimakrise führt in Somalia zu Wasser- und Landknappheit, was Landraub, Vertreibung und Konflikte weiter verschärft. 

Das andere Extrem sind massive Überschwemmungen und Regenfälle. Die Böden können die Wassermassen allerdings nicht mehr aufnehmen, die Folgen sind daher die gleichen wie bei Dürren: Ernten ­fallen aus und das Vieh stirbt – für viele Menschen die einzige Einnahmequelle.

Wovon berichten Menschen aus Somalia? Womit haben sie zu kämpfen und wie helfen sie sich selbst?

Den Menschen in Somalia fehlt es an allem. Die Viehhirten berichten über einen schwierigen Zugang zu Weideland und von so wenig Wasser, dass es oft nicht einmal für Kamele und Ziegen ausreicht. Bereits ­dreiviertel des Viehbestandes ist verendet. Mehr als die Hälfte der ­Bevölkerung hat nicht genug zu essen und die meisten haben kein Geld, um Lebensmittel zu kaufen. 

Somalische Eltern erzählen, dass die Mehrheit der Kinder in den ­vergangenen Wochen weniger Mahlzeiten zu sich genommen hat. Viele Eltern reduzieren deshalb ihre eigenen Mahlzeiten. Doch nicht nur Kinder, sondern auch schwangere und stillende Frauen sowie ältere Menschen sind von akutem Hunger betroffen. Der Bedarf an Nahrung und sauberem Trinkwasser übersteigt bei weitem, was internationale und lokale Hilfsorganisation derzeit leisten können. Es gibt nicht genug Geld. Seit Jahren gehen die finanziellen Mittel am Horn von Afrika zurück. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die weltweite Inflation haben das Problem noch verschärft.

Besonders schlimm ist die Situation für die Binnenvertriebenen, die wenig Einkommensmöglichkeiten haben und kaum kommunale Unterstützung erhalten. 

Wie ist die Situation der 5 Millionen von Hilfe abhängigen Kinder?

Im ganzen Land ist fast die Hälfte der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Die Dürre verschlechtert auch die ohnehin schon sehr schlechte Bildungslage der Kinder. Mehr als 250 Schulen mussten vor Ende des Schuljahres aufgrund der Dürre schließen. Es besteht die große Sorge, dass die Schulen ohne ausreichendes Lehrpersonal oder Zugang zu Wasser nicht für das neue Schuljahr im August öffnen können. 

Was tut die Diakonie ­Katastrophenhilfe dagegen?

Um vertriebenen Kindern Bildung zu ermöglichen, aber auch den Zugang zu Trinkwasser und ­Nahrung zu verbessern, haben wir zusammen mit unserem lokalen Partner NAPAD in zwei der vielen Vertriebenenlager in der Hauptstadt Mogadischu Schulen gebaut. Das Auswärtige Amt hat das Projekt ­finanziell unterstützt. In den Schulen gibt es Toiletten, Wasser und Essen. Morgens bekommen die Schüler Brei und zum Mittagessen Bohnen. Die Schulen sind für 800 Schüler konzipiert und durch den Zustrom von mehr ­Binnenvertriebenen bereits mit über 1000 Schülern pro Schule überlastet. Tendenz steigend. 

Katastrophale Wetterereignisse stürzen die Menschen immer ­wieder in einen Krisenkreislauf. Welche Rolle spielt dabei der ­Klimawandel?

Somalia gehört zu den Ländern, die weltweit am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Stark schwankende Niederschläge, steigende Temperaturen und Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren sind die Folge. Dürren und Überschwemmungen treten häufiger auf und nehmen an Intensität zu. Auch die Heuschreckenplage ist eine Folge des Klimawandels. 

Wie wirkt sich der Wegfall der Weizen-Exporte aus der Ukraine und Russland aus?

Noch im Vorjahr hatte Somalia mehr als 90 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine bezogen – diese Lieferungen bleiben jetzt aus. Im Zuge des Krieges sind auch die Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff noch rasanter gestiegen als bei uns in Deutschland. Dazu sind aufgrund der Dürre die Wasserpreise um rund 160 Prozent gestiegen. Die ohnehin schon stark angeschlagene Bevölkerung hat keine Ressourcen mehr, um aus eigener Kraft eine Hungersnot abzuwenden. 

Ist Medienarbeit ein gutes Mittel bei der Aufklärung und Aufmerksamkeit?

Somalia zählt zu den vergessenen Krisenregionen und erfährt kaum internationale Aufmerksamkeit. Die Dürre und eine daraus ­resultierende Hungersnot war Ende vergangenen Jahres bereits ab­sehbar. Die somalische Regierung und internationale Organisationen haben bereits gewarnt. Und damals war der Krieg in der Ukraine mit all seinen dramatischen Folgen noch gar nicht absehbar. Nun droht die ­Situation der Menschen in Somalia noch weiter in Vergessenheit zu ­geraten. 

Hunger, Dürre, Naturkatastrophen, Wüstenheuschreckenplage und Wasserknappheit – die Diakonie hilft. Auf welche Weise? 

Wir versorgen die Menschen gemeinsam mit unseren Partnern mit Trinkwasser, unterstützen die vertriebenen Kinder dabei, wieder in die Schule zu gehen, wo sie auch etwas zu essen bekommen. Über Bargeldhilfen bekommen die Menschen in den schlimmsten Dürre-Regionen die Möglichkeit, Essen oder andere lebensnotwendige Dinge – nach ihrem Bedarf – einzukaufen. Dort, wo es keine Märkte mehr gibt, verteilen wir auch direkt Nahrungs­mittel an die Familien. In ländlichen Gebieten reparieren wir Brunnen, damit die Menschen dort Trinkwasser haben und nicht in die völlig überfüllten Binnenvertriebenen­lager gehen müssen. 

Welche Lösungen sehen Sie, um den Hunger in Somalia nachhaltig bekämpfen zu können?

Hunger ist eine leise und schleichende Katastrophe. Er ist nie die Folge einer einzelnen Katastrophe, sondern immer eine Verkettung einzelner Katastrophen, wie es in Somalia der Fall ist. Für die Menschen ist es wichtig, dass die politische Lage im Land langfristig stabilisiert wird, so dass die Regierung auch in der Lage ist, ihre Bevölkerung zu versorgen.

Wie können wir von Deutschland aus helfen?

Die Menschen in Deutschland können mit einer Spende viel bewirken. Mit 32 Euro kann ein Kind zum Beispiel drei Monate lang in die Schule gehen. Das Essen für diese drei Monate kostet umgerechnet etwa 25 Euro. Und mit 105 Euro kann eine vertriebene Familie einen Monat lang genug Nahrung und Wasser kaufen. Die Sanierung und Reinigung eines Brunnens, von dem die Menschen in den umliegenden Dörfern direkt profitieren, kostet etwa 3500 Euro.

Spendenkontonummer für Somalia
Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin
Evangelische Bank
IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Hungerhilfe Afrika
Online unter: www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden/

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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