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In Belarus wartet man vergeblich

Ein souveränes Belarus hätte niemals zugelassen, dass Russland seine Armee und Militärtechnik im Land stationiert und den Krieg gegen die Ukraine auch von belarussischem Boden führt, meint die belarussische Künstlerin Marina ­Naprushkina. Am Sonntag Reminiszere (13.3.) ruft die EKD zur Fürbitte für Bedrängte und Verfolgte in Belarus auf

Foto: epd

Von Marina Naprushkina

„ ... langsam wacht die Welt auf und beginnt zu sehen, dass es nicht nur um Kiew und die Ukraine geht. Es geht um jedes Haus, jede Tür, es geht um jedes Leben in Europa, das ab heute bedroht ist.“ Das schrieb die ukrainische Fotokünstlerin und Schriftstellerin Yevgenia Belorusets am 25. Februar in ihr ­Tagebuch.

In Belarus wartete man vergeblich auf das Zusammenstehen der internationalen Gemeinschaft. Insbesondere in den letzten zwei Jahren, nachdem im Sommer 2020 die friedliche Revolution brutal niedergeschlagen und die Bevölkerung mit Repressionen überzogen wurde. 

Zuletzt auch die zynische Instrumentalisierung durch Lukashenko von Geflüchteten an der Grenze zu Polen und Litauen, um Druck auf den Westen aufzubauen. In Litauen und Polen hat man als Antwort eine Hig-tech Grenzmauer errichtet, um sich abzuschotten – eine Entscheidung, die aus der Zeit gefallen ist und auch gegen jede umweltorientierte Politik. Die Mauer verläuft durch den ältesten Urwald Europas, die Tier- und Pflanzenwelt im Białowieża-Urwald wird durch die Trennung stark beeinträchtigt.

Als die friedliche Revolution in Belarus begann und Lukaschenko alles einsetzte, um an der Macht zu bleiben, verhängte die Europäische Union (EU) nur schwache Sanktionen, die das Regime nicht wirklich trafen. Es war die Strategie von ­Putin, den belarusischen Herrscher in volle Abhängigkeit zum Kreml zu bringen. Die Welt musste zusehen, wie Russland seine Armee und seine Militärtechnik in Belarus stationierte und den Krieg gegen die Ukraine auch von belarussischem Boden führt. 

Ein souveränes Belarus hätte dies nicht zugelassen. Jetzt strömen über die polnisch-ukrainische Grenze Hundert­tausende und flüchten vor Krieg. Frauen, die mit ihren Müttern und Kindern in Berlin ankommen, berichten von den Alarmsirenen, die selbst hier im Kopf nicht verstummen, sondern immer lauter werden.

Die Städte werden zerstört, Soldaten und Zivilisten getötet oder verwundet, darunter Kinder. Das Grauen des Krieges. Man sagt, wenn die Mehrheit der Menschen die Bücher der belarusischen Schriftstellerin Svetlana Alexievich gelesen hätte, würde es nie wieder Krieg geben. In ihren Büchern wie „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ und „Zinkjungen: Afghanistan und die Folgen“ lässt sie die Frauen und Mütter der Soldaten über ihre Erfahrung im und mit dem Krieg sprechen. Der Krieg hat keine Sieger, aus dem Krieg kommt man nie zurück –  das versteht man schon auf den ersten Seiten. Aber die Diktatoren lesen nicht, sie schreiben selbst und sie lassen töten. 

„Putin verstehen, mit Lukashenko reden“ – darin erschöpfte sich die deutsche Außenpolitik. Es gibt wohl immer noch kein Instrument, wie man Diktaturen und Diktatoren beenden kann. Wirtschaftlich sind es willkommene Partner, bis heute fließen Millionen täglich an Putin, damit er Gas liefert. Dieses Geld wird den Krieg verlängern, mit noch mehr Opfern und Hass unter den Völkern, der von den staat­lichen Medien in Russland und ­Belarus andauernd befeuert wird, um den Krieg zu rechtfertigen.

Jede:r in Belarus hat Freunde oder Angehörige in der Ukraine


Belarus wird in den Krieg hineingezogen. Das ist eine Situation, mit der die Bevölkerung niemals zurecht kommen kann. Die Familien leben auf beiden Seiten der Grenze. Jede:r in Belarus hat Freunde oder Angehörige in der Ukraine. Das ist eine unvorstellbare Situation, die die Menschen nicht verkraften können. Russische und belarusische Mütter versuchen ihre jungen Söhne außer Landes zu bringen, ­damit sie nicht als „Kanonenfutter“ in die Ukraine geschickt werden. 

Scham, Wut, das Gefühl der Hilf­losigkeit und Angst empfinden die Menschen aus Belarus – die russischen Raketen starten von belarusischem Boden. Von einem souveränen Belarus ist nicht mehr die Rede. Und wer von der Zivilbevölkerung in den letzten zwei Jahren versucht hat, sich öffentlich gegen das Regime zu stellen, sitzt im Gefängnis, hat seine Arbeit verloren oder ist ausgereist. In Belarus gibt es aktuell über 1000 politische Gefangene, die unter fürchterlichen Haftbedingungen und Folter leiden. Alle NGOs und unabhängigen Kulturinstitutionen wurden geschlossen. Mehr als 400000 Menschen haben seit Sommer 2020 das Land verlassen oder mussten es verlassen.  Jetzt organisiert die belarusische Diaspora Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Darunter sind teilweise auch Belarus:-  innen, die damals in die Ukraine ­geflüchtet sind und die jetzt zum zweiten Mal fliehen müssen.

2013 habe ich mit vielen anderen die Initiative „Neue Nachbarschaft/Moabit“ mitgegründet. 2015 kamen Hunderttausende aus dem Krieg in Syrien nach Deutschland, viele nach Berlin. Aber die deutsche „Willkommenskultur“ muss noch lernen. Die ankommenden Menschen brauchen nicht nur einen Schlafplatz und gespendete Kleidung, sie brauchen vor allem Anerkennung, Arbeit und ein Einbeziehen in bestehende Strukturen, ob in private soziale Netzwerke oder berufliche Gruppen und Institutionen. Die Menschen dürfen als Geflüchtete nicht objektiviert und viktimisiert werden. 

Dieser Krieg hat bereits viele ­Leben gekostet und wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass er Europa verändern wird.

Das Materialheft mit Informationen und Interviews zu Belarus und seinen Kirchen steht unter:
https://www.ekd.de/reminiszere-2022-fuerbitte-bedraengte-und-verfolgte-belarus-67862.htm

Marina Naprushkina, geboren und aufgewachsen in Minsk/­Belarus, ist Künstlerin und Aktivistin. Sie unterrichtet an der Universität der Künste und der Kunsthochschule Weißensee in Berlin. Foto: privat

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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