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Konkursverwalter der DDR

Der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière wird 80 Jahre alt. Die Volkskammerwahlen 1990 in der DDR hatten ihn in das Amt des Ministerpräsidenten gespült. Der Rechtsanwalt und Neu-Politiker musste dann das Land zügig abwickeln.

Lothar de Maizière. Foto: Rolf Zöllner/epd
Lothar de Maizière 1991 als Synodaler bei der gemeinsame Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des ostdeutschen Bundes der Evangelischen Kirchen im Johannesstift in Berlin-Spandau. Foto: Norbert Neetz/epd
Das Ehepaar de Maizière mit Helmut Kohl beim Festgottesdienst zur Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 im Berliner Dom. Foto: Christian Schulz/epd

Von Lukas Philippi und Markus Geiler (epd)

„Mann des Übergangs“, „Konkursverwalter für 17 Millionen Mandanten“ oder „Kohls Musterschüler“ - Lothar de Maizière hat als letzter DDR-Ministerpräsident vor 30 Jahren viele mehr oder weniger schmeichelnde Zuschreibungen erhalten. Er gehört zu der seltenen Spezies von Politikern, die in einem bestimmten historischen Moment wie aus dem Nichts an die Spitze gespült wurden, um dann wenig später wieder aus der Politik zu verschwinden.

Am Montag (2. März) wird der langjährige Rechtsanwalt, CDU-Politiker, Zeitzeuge und Mitgestalter der deutschen Einheit 80 Jahre alt. Musik ist vielleicht die große Konstante in seinem Leben. Noch heute greift der studierte Bratschist im Ensemble gelegentlich zum Bogen. Seine aktive Zeit als Politiker dauerte dagegen gerade einmal gut ein Jahr. Dabei wäre er gerne noch früher wieder ausgestiegen, bereits am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung: „Im Prinzip war das, wozu ich Ende 1989 in die Politik gegangen bin, getan“, sagt er im Abstand von 30 Jahren dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

Plötzlich Ministerpräsident

Selten hatte ein Wahlgewinner so unglücklich ausgesehen wie Lothar de Maizière am Abend des 18. März 1990. Entgegen allen Wahlumfragen hatte die von ihm angeführte „Allianz für Deutschland“ die erste freie Volkskammerwahl in der DDR mit mehr als 48 Prozent deutlich gewonnen. Das Parteienbündnis aus Ost-CDU, Deutscher Sozialer Union(DSU) und Demokratischem Aufbruch (DA) war nur wenige Wochen zuvor von de Maizière und dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) geschmiedet worden. De Maizière war erst im November 1989 Vorsitzender der Ost-CDU geworden. Auf einen Wahlsieg der bisherigen Blockpartei, die noch wenige Wochen zuvor das marode SED-Regime gestützt hatte, schien er nicht vorbereitet. So wirkte er fast abwesend, als er sich im Blitzlichtgewitter, umzingelt von TV-Kameras, durch das Gewühl im damaligen Ost-Berliner Palast der Republik schob. Ihm sei in diesem Moment deutlich geworden, was da auf ihn zukomme, sagt de Maizière später.

Als Anwalt für Wirtschafts- und Steuerrecht habe er die ökonomische Lage der DDR gut einschätzen können und gewusst, dass das Land wirtschaftlich kurz vor dem Kollaps stand. Viel Gestaltungsspielraum blieb dem 1940 im thüringischen Nordhausen geborenen Rechtsanwaltssohn in seiner nur achtmonatigen Regierungszeit nicht. Zu massiv war das Bestreben des Machtpolitikers Kohl, die Gelegenheit nach einer schnellen deutschen Vereinigung nicht verstreichen zu lassen. De Maizière, Cousin des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU), verstand sich als Vertreter eines Bildungsbürgertums, das es in der DDR eigentlich nicht mehr geben sollte. Nach dem Abitur am Ost-Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster 1958 studierte er zunächst Bratsche. Wegen einer Erkrankung musste er den Bratschisten-Beruf aber aufgeben, studierte in einem Fernstudium Jura an der Humboldt-Universität und wurde mit 35 Jahren Rechtsanwalt. 1987 wählte das Kollegium der Berliner Rechtsanwälte de Maizière zum Stellvertreter des damaligen Vorsitzenden Gregor Gysi, mit dem er bis heute befreundet ist.

Für ihn schlossen sich Christsein und politisches Engagement in der DDR nicht aus

Zu seinen anwaltlichen Tätigkeiten gehörte nach eigenem Bekunden auch die Verteidigung von Menschen in der DDR, die mit dem SED-Regime in Konflikt geraten waren, wie beispielsweise Regine und Wolfgang Templin. Dadurch habe er auch Kontakt zur Stasi gehabt, das sei als Anwalt in der DDR normal gewesen, sagt er. Zudem hatte die Stasi einen Zweitschlüssel zu seiner Kanzlei, wie de Maizière aber erst nach der Wiedervereinigung aus Akten erfuhr. Als Mitte Dezember 1990 Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden, er habe als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) „Czerni“ für die Stasi gearbeitet, trat er als Bundesminister für besondere Aufgaben zurück, im Herbst 1991 dann auch von seinen Parteiämtern.

Obwohl die Anschuldigungen weitgehend entkräftet wurden, zog der Vater von drei Töchtern sich in den Folgejahren vom politischen Parkett zunehmend zurück und arbeitete wieder als Rechtsanwalt. Männer des Übergangs seien immer Männer mit Verfallsdatum, sagte er einmal rückblickend. De Maizière gehörte zu den relativ wenigen DDR-Christen, für die sich Kirchenmitgliedschaft und aktive politische Mitarbeit nicht ausschlossen. Gysi nannte ihn einmal „ein bourgeoises Fossil“. Bereits 1956 trat der überzeugte Protestant der Ost-CDU bei, eine der vier DDR-Blockparteien. Von 1985 bis 1990 gehörte er auch der Synode des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR an. In den turbulenten Monaten zwischen dem 18. März und dem 3. Oktober 1990 hatte de Maizière dem Kohlschen Fahrplan zur deutschen Einheit wenig entgegenzusetzen.

„Mein Ziel war es, dass die Ostdeutschen nicht unter die Räder kommen“, sagt er wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag. Dies sei ihm weitgehend gelungen, findet er im Rückblick, um dann aber doch zu bemängeln, dass sich heute immer noch zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen wiederfänden. Die Debatte über Benachteiligung und fehlende Wertschätzung „wäre viel früher notwendig gewesen“, kritisiert er. Früher seien die Unzufriedenen bei der PDS gelandet, heute bei der AfD.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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