Die Kapelle im neuen Potsdamer Garnisonkirchturm ist als erster Raum des Bauwerks der Öffentlichkeit übergeben worden. Zu einem Gottesdienst zur Indienstnahme und Widmung der Nagelkreuzkapelle im Erdgeschoss kamen am Ostermontag rund 100 geladene Gäste. Vor dem Turm protestierten etwa 250 Menschen gegen die Einsetzung weiterer Gelder für den Wiederaufbau.
Potsdam/epd. Am Ostermontag wurde die Kapelle als erster Raum im neuen Potsdamer Garnisonkirchturm eröffnet. Der Turm soll nach Aussagen der evangelischen Trägerstiftung für Demokratiebildung und Friedensarbeit genutzt werden, weitere Räume und eine Ausstellung sollen voraussichtlich im Sommer zugänglich gemacht werden. Kurz vor der Eröffnung der Kapelle haben langjährige Kritiker des Wiederaufbaus indessen ihre Vorbehalte bekräftigt und Proteste am Eröffnungstag angekündigt.
Mit dem neuen Bauwerk sei „trotz aller PR-Akrobatik der Stiftung“ kein Ort für eine kritische Aufarbeitung der Geschichte und eine Stärkung der Demokratie entstanden, erklärte die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ am 26. März. Es sei vielmehr ein „Sehnsuchtsort für reaktionäre Kräfte“ geschaffen worden. Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Jan Kingreen, betonte hingegen, möglichen Versuchen der Vereinnahmung durch rechtsextreme Kreise werde mit verschiedenen Maßnahmen vorgebeugt.
Kingreen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), eine Nutzung des Turms für rechtsextreme Zwecke sei nicht möglich. Der Theologe ist Pfarrer am Garnisonkirchturm. Direkt vor dem Turm könnten keine Veranstaltungen ohne Zustimmung der evangelischen Kirche stattfinden. Es gebe eine rigide Hausordnung und für Veranstaltungen im Turm einen „Code of Conduct“. Veranstalter müssten sich unter anderem verpflichten, gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus einzutreten.
Klare Abgrenzung
Kingreen sagte, der Wiederaufbau des Turms sei „eine große Emanzipationsgeschichte“. Es gehe dabei „um ein Projekt, das aus einer ganz anderen inhaltlichen Richtung kam und den rechtsextremen Initiatoren dann von der evangelischen Kirche aus der Hand genommen“ worden sei. Der Garnisonkirchturm sei so „zu einem Ort geworden, der sich ganz klar von Rechtsextremismus abgrenzt“.
Die Initiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ warf der Garnisonkirchenstiftung unter anderem eine „romantisierende Verklärung des Barockturms“, eine „kompromisslose Fixierung“ auf die Originalgestalt und „kontinuierliche Geschichtsverzerrung“ vor. Nach den Enthüllungen über ein rechtsextremes Treffen in Potsdam, bei dem Pläne für umfangreiche Abschiebungen von Menschen mit Migrationsgeschichte Thema waren, erscheine „die Gefahr realer denn je, dass mit der neu aufgebauten und eingeweihten Garnisonkirche ein weiterer rechtsextremer Gedenk- und Identitätsort mitten in Potsdam“ entstehe.
Schwerste Kriegsverbrechen
Der wissenschaftliche Beirat der Kritiker-Initiative „Lernort Garnisonkirche“ forderte, den Feldaltar der historischen Garnisonkirche nicht in Gottesdiensten zu verwenden, sondern dem Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin zu übergeben. An dem Altar seien „zahllose Soldaten für ihr Kriegshandwerk gesegnet“ worden, die auch schwerste Kriegsverbrechen begingen und Völkermorde verübten, erklärte die Initiative am 26. März. Um die Forderung der Übergabe des Altars an das DHM zu begründen, sei ein „Schwarzbuch Garnisonkirche“ veröffentlicht worden, das die Geschichte des Feldaltars und der dort gehaltenen Predigten dokumentiere.
Die Garnisonkirche war eine evangelische Kirche in der historischen Potsdamer Stadtmitte, deren Turm seit 2017 wiederaufgebaut wird. Der Komponist Johann Sebastian Bach spielte dort 1747. Mit dem Tag von Potsdam 1933 wurde das Gotteshaus von den Nationalsozialisten für NS-Propaganda vereinnahmt.