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Mehr als Sprachangebote

Ökumenepreis 2020: Die Initiative „weltweit“ bietet in der „Flüchtlingskirche“ St. Simeon in Berlin-Kreuzberg mit Ehrenamtlichen Deutschkurse, Alphabetisierung und ein Sprachcafé an.

Sprache lernen in der „Flüchtlingskirche“ St. Simeon in Berlin-Kreuzberg: Moraf und Mona Möller lesen, während Eva Heldmann und Roghaye* das Gespräch üben (v.r.n.l.). Foto: Andrea von Fournier

Von Andrea von Fournier

„Wir_brau_chen … Wir brauchen_Na, Na … Wir brauchen Nägel.“ – „Sehr schön!“, lobt Eva Heldmann den Vorlesenden am Tisch. „Weißt Du auch, was Nägel sind?“, schiebt sie fragend nach. Der junge Mann neben ihr überlegt kurz. Er hat keine treffenden Synonyme für „Nägel“ parat. Dafür hält er mit der einen Hand zwischen Daumen und Zeigefinger etwas kleines Imaginäres hoch, auf das er mit der anderen Hand ordentlich draufschlägt. 

Klar, Moraf* kennt Nägel ganz genau. Lesen und Schreiben muss der junge Mann aus Syrien aber noch lernen. Deshalb sitzt er heute mit gut einem Dutzend anderer im „Sprachcafé“ von „weltweit“, einer Initiative von 50 ausschließlich ehrenamtlich Tätigen innerhalb von „Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.“. 

40 Sprachcafés gibt es inzwischen in ganz Berlin. Manche Ehrenamtler haben bereits unterrichtet, sind pensionierte Lehrer, andere wollen einfach nur helfen, damit Sprachbeherrschung und Alltagsbewältigung in Deutschland für Neuankömmlinge erleichtert wird. Wie Eva Heldmann, die eigentlich Filme macht, seit drei Jahren aber auch mit Interesse, Geduld und Zugewandtheit an der Sprach- und Lesekompetenz der Cafébesucher arbeitet. 

In der Kapelle der St. Simeon­kirche, der sogenannten Flüchtlingskirche nahe der Kreuzberger Prinzenstraße, treffen sich vor allem Geflüchtete, überwiegend aus dem Nahen Osten und Afrika, aber auch mal Italiener oder eine Brasilianerin, die Deutsch lernen wollen. „Für uns ist es nicht wichtig, weshalb jemand herkommt. Wir versuchen, in einer lockeren, angstfreien Umgebung unsere Sprache zu vermitteln“, sagt Gesa Preuße, Gründungsmitglied von „weltweit“, die mit Mona Möller gemeinsam die Fäden für die Koordinierung des Standortes „Flüchtlingskirche“ in der Hand hält. 

Im Laufe des Gespräches wird klar, dass die beiden Frauen und die vielen anderen freiwilligen Helferinnen und Helfer ihre Aufgabe fast immer komplexer annehmen, als nur das Sprechen oder Lesen zu vermitteln. Moraf ist seit vier Jahren in Deutschland. Er lebt in einem Spandauer Heim und war bereits in den Genuss der öffentlich finanzierten Sprachlernangebote gekommen. Die allgemeinsprachliche A2-Prüfung wurde sein Stolperstein. Ohne bestandene Prüfung konnte das Jobcenter ihn nicht weiterfördern. 

Das Sprachcafé hilft nicht nur beim Spracheüben

Da kommt „weltweit“ ins Spiel, von dem ein Freund Moraf berichtete. Der junge Mann suchte den Kontakt. „Wir merkten schnell, dass Moraf gut sprechen kann. Doch er kann weder Arabisch noch Deutsch lesen und schreiben. Das bedeutet, dass er erst mal einen Alphabetisierungskurs braucht“, erklärt Mona Möller. Den fanden die ehrenamtlichen Helferinnen schließlich und kümmerten sich darum, dass der junge Mann daran teilnehmen kann, um aufzuholen, was er als Kind versäumt hat. Davor standen schwierige, aber schließlich erfolgreiche Gespräche mit Ämtern. 

In den Alphabetisierungskursen vermisst Moraf den Kontakt mit Deutschen, deshalb kommt er gern einmal in der Woche ins Sprachcafé. Viele haben hier wie er einen Betreuer, der sich besonders kümmert. Und weil für Eva Heldmann der Beruf auch Berufung ist, ist nun eine „Filmgruppe“ in der St. Simeonkirche in Planung. Auch da will der junge Syrer mit dabei sein.

Wie viele Helfer und Besucher zum Café kommen, wissen Mona Möller und Gesa Preuße vorher nie genau. Sie kochen Kaffee und Tee, andere backen Kuchen oder Kekse. Moraf hilft beim Stühle aufstellen und ist für den Müll verantwortlich. Dass das Gespräch am großen Tisch gerade auf Deutsch geführt wird, gebrochen und gestikulierend, freut die beiden Frauen aufrichtig. „Wir machen das hier wirklich gern“, sagen sie. Alle Ehrenamtlichen fühlen sich bestätigt, weil ihre Arbeit gerade mit dem Ökumenepreis des Ökumenischen Rates und des Internationalen Konvents Christlicher Gemeinden in Berlin und Brandenburg gewürdigt wurde.

* Namen von der Redaktion geändert

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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