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Mehr Kirchengemeinden gebraucht

Kirchenasyl ist eine legitime Form, den Staat auf Härtefälle aufmerksam zu machen

Sechs Monate nach ihrer Abschiebung wurde die 14-jährige Vietnamesin Thu-Nga Van 2005 nach ihrer Rückkehr von ihren früheren Mitschülern herzlich begrüßt. Im Dezember 2004 wurde das Mädchen aus einem Kirchenasyl heraus mit ihren Eltern und zwei Geschwistern nach Vietnam abgeschoben. Foto: epd/Grank Westphal

Berlin. Seit 40 Jahren gibt es das Kirchenasyl in Deutschland. 1983 fing es in West-Berlin an. Eine von Abschiebung bedrohte palästi­nensische Familie fand damals ­Unterschlupf in der evangelischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Kreuzberg. Ende 2022 wurden bundesweit 320 Kirchenasyle gezählt, davon 37 in der Hauptstadt. Engagierte Kirchengemeinden werden weiterhin gebraucht, die Nachfrage ist hoch, sagt Pfarrer Bernhard ­Fricke, Vorsitzender des Vereins Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg, im Gespräch mit Lukas Philippi (epd) zum Jubiläum.

Herr Fricke, wie sieht es denn heute mit der ­Motivation von Kirchen­gemeinden aus, Menschen Kirchenasyl zu gewähren?

Seit dem Beginn der Kirchenasylbewegung vor 40 Jahren hat sich vieles verändert, sowohl in der Asylgesetzgebung als auch im ­Bewusstsein der Gesellschaft, Menschen in Not aufzunehmen. Gerade die Willkommenskultur der ver­gangenen Jahre hat auch in den ­Kirchengemeinden viele Engagierte gefunden. Die Motivation, Kirchenasyl zu gewähren, ist unverändert hoch.

Gibt es denn weiterhin den Bedarf?

Die aktuelle Situation lässt sich so beschreiben: Bei der hohen Nachfrage nach Asyl gibt es auch ­eine hohe Nachfrage nach Kirchenasyl. Es geht um Fälle, in denen eine negative Entscheidung und somit eine Abschiebung zu unverantwortlichen Härten führen würde. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr Kirchengemeinden. Gleichzeitig können Kirchengemeinden nicht mehr so einfach Räume für die Unterbringung und Ehrenamtliche für die ­Begleitung stellen.

Sind da auch rechtliche Bedenken?

Die inhaltliche Frage, ob ein ­Kirchenasyl „erlaubt“ ist, zieht sich seit 40 Jahren durch die Entscheidungen der Gemeindekirchenräte. Unsere Antwort darauf: Kirchenasyl ist eine legitime Form, den Staat auf Härtefälle aufmerksam zu machen und Menschen vor Abschiebung zu schützen – so legitim zum Beispiel wie eine Petition.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Asylpolitik Deutschlands und der EU sehr verändert. Mit welchen rechtlichen Widrig­keiten haben Gemeinden und von Abschie- bung bedrohte Menschen heute am meisten zu kämpfen?

Bei der überwiegenden Zahl handelt es sich heute um sogenannte „Dublin-Kirchenasyle“. Den Betroffenen droht die Rückführung in ein anderes europäisches Land, in das Land, in dem sie zuerst einen Asylantrag gestellt oder Fingerabdrücke abgegeben haben. Für diese Fälle gibt es die Absprache mit dem zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass eine erneute Härtefallprüfung möglich ist. Dafür schreiben die Kirchen­gemeinden dann ein sogenanntes Dossier. Wir hören zunehmend von schlimmen Gewalterfahrungen der Geflüchteten. Das betrifft Länder wie Polen, Bulgarien, Kroatien und andere. Der Umgang mit den Menschen dort sollte das BAMF dazu bringen, auf Rücküberstellungen zu verzichten und den traumatisierten Menschen Schutz zu gewähren. Es geht um Gewalterfahrungen an den europäischen Außengrenzen und beim Umgang mit Geflüchteten im Asylverfahren, zum Beispiel durch Inhaftierungen oder mangelhafte ärztliche Versorgung. Die Kirchengemeinden haben eine große Aufgabe, diese verletzten und verletzlichen Menschen zu begleiten. Als Verein unterstützen wir sie dabei, bieten Fortbildungen an und vermitteln ehrenamtliche Hilfe.

Die Idee des Kirchenasyls ist ­heutzutage eine Fiktion. Tatsächlich hat die Polizei auch Zugriff auf ­Menschen, die glauben, durch ­Kirchenmauern geschützt zu sein. Hat sich die Haltung der Behörden und der Politik gegenüber Kirchenasylen in Deutschland verändert?

Es zeichnet die Kirchenasyl­bewegung und die Politik aus, dass sie im Respekt voreinander handeln. In 40 Jahren Kirchenasyl hat sich diese Haltung immer weiter entwickelt. Die Behörden wissen um die Ernsthaftigkeit von Entscheidungen in den Kirchen­gemeinden. Es bleibt der große Wunsch, dass es einmal keine Kirchenasyle mehr braucht – oder zumindest viel weniger. Dazu müssten die Behörden aber anders entscheiden und genau hinhören, von ­welchen schlimmen Erfahrungen die Menschen berichten. Auch das europäische Asylsystem müsste sich grundlegend ändern.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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