Von Barbara Breuer
Haben Sie nach dem Duschen schon mal ihre benutze Unterhose wieder angezogen? Nein? Das ist gut für Sie. Und hoffentlich bleibt das so. Es gibt Menschen, die können es sich nicht aussuchen, ob sie nach dem Duschen frische Unterwäsche anziehen oder gebrauchte. Denn sie sind von Spenden abhängig – von den Kleiderspenden anderer Menschen.
Dazu zählen auch die mehr als 100 Bedürftigen, die täglich montags bis freitags die Kleiderkammer der Berliner Stadtmission besuchen. Sie alle hoffen auf textile Geschenke. So wie Manuel. Der Senior mit dem Rauschebart und den wund gekratzten Beinen trägt im Winter am liebsten lange Unterhosen, gerne die flauschige Variante. Doch nicht immer können die Mitarbeitenden ihm welche bringen. Wenn niemand lange Unterhosen spendet, geht Manuel leer aus. Und trägt seine Unterwäsche, bis wieder welche ausgegeben wird …
Wir von der Berliner Stadtmission legen viel Wert darauf, die Menschen, die in die Kleiderkammer kommen, mit frisch gewaschenen, ordentlichen Anziehsachen zu versorgen. Denn mit den Kleiderspenden geben wir den Bedürftigen auch ein Stück Würde zurück. Und wie groß ist die Freude, wenn jemand sich zwischen zwei Jacken entscheiden, beide anprobieren und mit der warmen Winterjacke seiner Wahl vom Hof gehen kann.
Zurzeit passiert das leider nicht so oft. Die Regale in der Kleiderkammer sind leer. Für Männer fehlen aktuell enganliegende Boxershorts, Socken, Sneaker und Winterstiefel, aber auch Hoodies, Jogginghosen und Jeans sind Mangelware. Noch nie gab es so wenig Kleiderspenden wie zurzeit.
Während der Pandemie haben Berlinerinnen und Berliner fleißig aussortiert und uns ihre nicht mehr benötigte, frisch gewaschene Kleidung gebracht. Dann haben alle auch noch mal in ihre Schränke geschaut, als die ersten Menschen aus der Ukraine geflohen sind und in der Hauptstadt ankamen. Das war ein Segen. Leider hieß es irgendwann: „Wir brauchen für Geflüchtete keine Kleiderspenden mehr.“ Das ist bei den Spender:innen falsch angekommen. Denn seitdem herrscht Ebbe wie nie unserer Kleiderkammer. Und so kommen viele Manuels jeden Tag vergeblich in die Lehrter Straße und werden wieder weggeschickt, ohne Kapuzenpulli, ohne Schuhe und manchmal eben auch ohne frische Unterwäsche.
Die Mitarbeitenden der Citystation wurden sogar schon von verzweifelten Gästen beschimpft, als sie ihnen nach dem Duschen die Herausgabe frischer Unterwäsche verwehrten. Es waren einfach keine Unterhosen da, die sie hätten herausgeben können. Frust herrscht auf beiden Seiten. Und so mussten die Gäste nach dem Duschen wieder rein in die getragene Unterwäsche. Das ist würdelos. Und sollte nicht sein ...
„Unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im ,Dasein-für-andere‘. Nicht die unendlichen, unerreichbaren Aufgaben, sondern der jeweils erreichbare Nächste ist Gott in Menschengestalt“, hat Dietrich Bonhoeffer gesagt. Lassen Sie uns in der Vorweihnachtszeit gemeinsam Gott begegnen durch die Bedürftigen in dieser Stadt.
Wenn alle noch mal nachschauen, kommt gewiss noch viel warme Männerkleidung zusammen: lange Unterhosen für Manuel und eine warme Jacke für Mario. Dem wurde seine Winterjacke vergangene Woche geklaut und er stand im dünnen Blouson vor der Notübernachtung. Auch gut erhaltene Schlafsäcke und Isomatten sind zurzeit nur noch wenige da. Rucksäcke, Sporttaschen, Trolleys und stabile, große Plastiktaschen brauchen die Bedürftigen, um die gut erhaltenen Spenden abtransportieren zu können. Lassen Sie uns zu Weihnachten teilen. Ich danke Ihnen dafür von Herzen.
Kleidung abgeben kann man
- werktags von 8 bis 18 Uhr am Empfang der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße 68, 10557 Berlin
- vor dem Gebäude der Stadtmission in der Lehrter Straße 68 stehen ganztägig Kleider-Container bereit
- Spendenabgabe im Textilhafen der Berliner Stadtmission in der Storkower Straße 139D in 10407 Berlin – nahe S-Bahnhof Landsberger Allee; Spendenannahme immer montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr
Spendenkonto der Berliner Stadtmission
IBAN DE63 1002 0500 0003 1555 00
berliner-stadtmission.de/spenden