von Rajah Scheepers
Am Palmsonntag ist Pfarrerin in Ruhe Angelika Fischer, geborene Dombrowski, im Alter von 90 Jahren friedlich in ihrem Haus in Berlin-Lichterfelde eingeschlafen. Es ist auf den Tag genau fast fünf Jahre her, dass ich diese bemerkenswerte Kollegin kennenlernen durfte, um sie im Rahmen des Projektes unserer Landeskirche zur Würdigung von „75 Jahre Frauen-ordination“ zu interviewen. Vor nicht einmal drei Wochen habe ich sie noch einmal zu Hause besucht und heute vor einer Woche mit ihr zuletzt telefoniert. Sie sollte durch unsere Landeskirche gewürdigt und geehrt werden: In diesem Jahr feiern wir im November 50 Jahre Gleichstellung im geistlichen Amt und dies haben wir in erster Linie ihr zu verdanken. Ihre größte Kränkung war der Verlust ihres Amtes im Jahr 1963 aufgrund ihrer Eheschließung.
Ohne Abfindung aus dem Dienst entlassen
Angelika Dombrowski wurde am 9. September 1933 in Halle/Saale geboren, studierte 1952 bis 1954 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie 1954 bis 1958 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Zweites Examen legte sie im Oktober 1961 ab, die Ordination zur Pfarrvikarin erfolgte am 18.März 1962 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche durch Generalsuperintendent Hans-Martin Helbich, denn Bischof Otto Dibelius ordinierte zu diesem Zeitpunkt noch keine Frauen. Im selben Jahr heiratete sie den schwäbischen Ingenieur Rudi Fischer. Das Konsistorium teilte ihr daraufhin umgehend mit, dass sie damit nun aus dem Dienst der Kirche entlassen sei, ohne Abfindung. Ihr Titel sei nun wieder „Vikarin“. Im darauf folgenden Jahr schrieb ihr das Konsistorium, dass sie nicht „in den Stand der Pastorin“ kommen könne und außerdem die Sakramentsverwaltung nur unter Zustimmung auf Freizeiten möglich sei. Eine Trauung vorzunehmen wurde ihr untersagt.
Endlich Gemeindepastorin
Angelika Fischer suchte sich daraufhin andere Tätigkeitsfelder als Theologin: bei der Evangelischen Frauenhilfe, an der Evang-elischen Akademie für Sozialarbeit, als Theologische Leitung der Berufstätigenarbeit der Kirche und als Studienleitung im „Haus der Kirche“. Das Konsistorium machte ihren Dienststellen seinerseits klar, dass ihr keinesfalls das Gehalt einer Pfarrvikarin oder gar Pastorin zustehe, sondern nur das einer Vikarin, das selbstverständlich deutlich unter dem einer voll ausgebildeten Theologin lag.
Im April 1977 dann konnte Angelika Fischer endlich werden, was sie schon immer sein wollte: Gemeindepastorin. Mit knapper Mehrheit war sie vom Gemeindekirchenrat der Paulus-Kirchengemeinde in Berlin-Lichterfelde gewählt worden. Zur Einführung gab man ihr als Predigttext: „Das Weib schweige in der Gemeinde.“ Ihr Mann sagte ihr damals: „Wenn Du das schaffst, schaffst Du alles.“
Tiefe Bewunderung
Ihr Mann habe immer 150-prozentig hinter ihr gestanden, in all den Auseinandersetzungen und Jahren. Gemeinsam leiteten beide den Theologischen Arbeitskreis der Paulusgemeinde, für seine Frau empfand er eine tiefe Bewunderung. Was sie in der Paulus-Gemeinde bis 1997, auch hinsichtlich der Geschäftsführung leistete, war enorm: Umbau und Renovierung der Pauluskirche, Aufbau einer leistungsfähigen Diakoniestation, Geschäftsführung der Kindertagesstätten und vieles andere mehr. Als Predigerin und Seelsorgerin war sie allseits beliebt. Auf dem Lichterfelder Kranoldplatz kannte sie jeder. Der Verlust ihres Sohnes im Jahr 2015 und – im selben Jahr – ihres Mannes traf sie hart.
Ihr größtes Werk: Als Vorsitzende des Ständigen Theologischen Ausschusses der Regionalsynode Berlin-West und Geschäftsführerin des Theologinnenverbandes der Bundesrepublik setzte sie im November 1974 bei der Synode eine Gesetzesänderung durch, so dass nun Frauen und Männer im Pfarramt im Bereich Berlin-West gleichberechtigt waren. Die unrühmliche Geschichte des Zölibats für Pastorinnen hatte endlich ein Ende gefunden. Pfarrerin in Ruhe Angelika Fischer sei Dank. Möge sie in Frieden ruhen und das schauen, was sie geglaubt und verkündigt hat. Sie wird unserer Kirche und vielen Menschen fehlen.
Die Trauerfeier von Angelika Fischer findet am Dienstag, 23. April, um 10 Uhr, in der Pauluskirche in Berlin-Lichterfelde statt.