Von Sibylle Sterzik.
Gelbe, grüne und lila Decken mit Lutherrosen vom Kirchentag 2017 in Wittenberg liegen überall auf der Wiese. Ehrenamtliche haben Picknickkörbe mit Weintrauben, Äpfeln, Müsliriegeln und Liedblättern – und natürlich – Infos zur Stadtmission gefüllt. Die Sonne lacht, der Bischof steigt gut gelaunt aufs Podest zur Einführungsansprache. Der neue Stadtmissionsdirektor, Christian Ceconi, der heute eingeführt wird und seine Frau, die drei Töchter und den Hund mitgebracht hat, predigt frei und leidenschaftlich. Was will man mehr?
Doch es gibt mehr! Beim Picknickgottesdienst der Stadtmission im Zentrum am Berliner Hauptbahnhof in der Lehrter Straße ist manches anders als sonst. Die Stühle, auf denen Honoratioren Platz nehmen, oder die, für die der Ab- und Aufstieg zu Decke zu sportlich erscheint, stehen nicht vorn in der ersten Reihe, sondern außen am Rand. Von der Bühne spielt eine Band, eine Frau mit toller Stimme singt, aber die Bühne ist nicht das räumliche Zentrum. Das sind die Gottesdienstbesuchenden. Mittendrin, wenn auch weit vorn, steht das Holzpodest, das den Stadtmissiondirektor gleich noch ein wenig größer erscheinen lässt.
Zuvor aber sorgt Bischof Stäblein dafür, dass ein älterer Herr, der sich an den Rand gesetzt hat, einen Stuhl bekommt. Ohne es zu wissen nimmt er damit die Aufforderung des Predigers vorweg, genau hinzuschauen, was um uns vor sich geht, wie Jesus, der Zachäus auf dem Baum entdeckte und ihn zum Essen einlud.
Er wünsche sich auch für Christ*innen als Botschafter*innen Jesu, diese Unruhe, die aufmerksam Ausschau hält und neue Möglichkeiten entdeckt. Für unsere Stadt, in deren Mitte der Gottesdienst stattfindet, in guter Nachbarschaft zur türkischen Hochzeit, deren Musik herüberschallt. Ceconi nimmt es mit Humor. „Das zeigt doch, dass wir in der Mitte der Stadt angekommen sind.“ Zu Zachäus und Jesus zurückkehrend sagt er: „Was wird wohl in dieser Welt passieren, wenn wir als Kirche den Tisch denken für die, von denen wir immer dachten, dass sie nicht dazugehören und denen sagen: Ich muss bei dir heute zu Gast sein und mit dir essen? Auf diese Weise passierten die Abenteuer, die Kirche braucht. „Und so entsteht Gemeinschaft an Orten, wo wir es nicht für möglich gehalten haben.“