Die beiden Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde in Forst an der Neiße kämpfen gegen Anfeindungen, die von anonymen Denunzianten gestreut werden. Sie wollen die Stadtkirche zum offenen und freien Forum für alle Bürger machen.
Von Uli Schulte Döinghaus
Es ging mit Verschwörungserzählungen rund um Corona los und hat heute mit anonymen, aber falschen Behauptungen über den Zustand der Bundesrepublik im Allgemeinen und der Flüchtlingspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden im Besonderen zu tun. Ein Briefeschreiber hat besonders die Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Forst im Visier, Simon Klaas und Tobias Jachmann, beide 36 Jahre alt.
Gegen Fremdenhass und Vorurteile
Gegen sie wird Hass geschürt, weil sie sich öffentlich gegen Fremdenhass und Vorurteile zu Worte melden. Die beiden werden vom Briefeschreiber aufgefordert, von Ihrem Amt zurückzutreten, weil sie parteipolitisch unterwegs seien und weil Pfarrer und Kirchengemeinde angeblich Kirchensteuern verschwendeten. Üble Nachreden streut der Denunziant breit, wie Pfarrer Klaas und Pfarrer Jachmann im Gespräch berichteten. Einer dieser Briefe erreichte Adressaten in Lübben im Spreewald. Klaas und Jachmann erstatteten Anzeige. Sie wollen die gewalttätige Sprache gegenüber Ausländern und den menschenverachtenden Geist, der die Stadt vergifte, nicht hinnehmen. Urheber dieser ihrer Meinung nach unchristlichen Rhetorik ist vielfach die örtliche „Alternative für Deutschland“ (AfD).
Die Gemeinde steht hinter ihren Pfarrern
Davon zeigt sich der Gemeindekirchenrat in Forst unbeeindruckt. Die gewählten Repräsentanten der Evangelischen Kirche unterstützen ihre Pfarrer, wenn auch die eine oder andere Stimme in der evangelischen Öffentlichkeit zurückhaltender wird, vor allem, wenn es um das zentrale Thema der selbsternannten Alternativen geht, die Zuwanderung.
Spätestens seit Flüchtlinge von der polnischen Seite über die Neiße geschleust wurden, wurde die Bürgerschaft für das Thema empfänglich, auch weil Politik und Verwaltungen versagten. „Viele Leute haben Angst, nehmen Flüchtlingsbewegungen unrichtig wahr.“, erklären die beiden Forster Pfarrrer. Unausrottbar ist zum Beispiel das Vorurteil, dass die grassierende Einbruchskriminalität von Flüchtlingen verschuldet werde, was polizeistatistisch nicht stimmt. Jachmann und Klaas warnen vor einer Spaltung in der Stadtöffentlichkeit und vor einer „alternativen Realität von Fakten“ – „gegen die allerdings 99 Prozent unserer Gottesdienstbesucher immun sind“, weiß Pfarrer Tobias Jachmann. Unter anderem gilt das gegen die Unter-stellung, missliebige Gläubige müssten damit rechnen, aus der Kirche verwiesen zu werden, wenn sie zum Beispiel mit Predigttexten nicht konform gingen. „Das wird tatsächlich verbreitet.“, erzählt er.
Trotz unterschiedlicher Meinungen im Gespräch bleiben
Gegen den Hass setzt die Evangelische Kirche in Forst auf christliche Haltung, Seelsorge und Gespräche. Pfarrer Simon Klaas erinnert an einen Besucher, der sich wütend auf den Weg nach Forst begeben habe, um den Pfarrer angeblich rot-grüner Parteipolitik zu bezichtigen und um seinen Kirchenaustritt zu erklären. Das eineinhalbstündige Gespräch habe den bekennenden AfD-Wähler nicht umgestimmt, sagt Klaas. „Darauf kam es mir gar nicht an. Sondern ein Anlass zur Seelsorge war gegeben, zum Gespräch über Krisen, Nöte und Konflikte.“
Pfarrer Jachmann: „Wir können unterschiedlicher Meinung sein, aber wir müssen dennoch miteinander sprechen und und vor allem auch Gottesdienste miteinander feiern.“ In der Forster Kirchengemeinde wird zurzeit darüber nachgedacht, die Stadtkirche St. Nicolai – ähnlich wie während der friedlichen Revolution 1989 – weit zu öffnen. Sie könnte dann ein Austragungsort für offene und freie Debatten sein – auch um anonymen Denunzianten das Wasser abzugraben.