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Solidarität macht den Unterschied

Debora Marschner aus Sheffield im Norden Englands nahm mit Frauen ihrer Gemeinden an Weltgebetstagswerkstätten in Berlin per Zoom teil. Sibylle Sterzik interviewte sie.

Debora Marschner (kleines Foto) arbeitet seit ihrer Jugend gern beim Weltgebetstag mit. Seit 15 Jahren lebt sie in England, davor absolvierte sie ihren Entsendungsdienst in der Kreuzkirchen­gemeinde in Spremberg und studierte Theologe in Berlin, Münster und Leeds. Seit neuneinhalb Jahren ist sie methodistische Pfarrerin in Sheffield. Fotos: Debora Marschner/privat

Am Freitag, 4. März, feiern ­Menschen in über 150 Ländern der Erde den Weltgebetstag der Frauen aus England, Wales und Nordirland. Unter dem Motto „Zukunftsplan: Hoffnung“ laden sie ein, den Spuren der Hoffnung nachzugehen. Debora Marschner lebt seit fast 10 Jahren in der Stadt Sheffield im Norden Englands. Dort ist sie Pfarrerin der Methodistischen Kirche. Sie nahm mit Frauen ihrer Gemeinden an Weltgebetstagswerkstätten in Berlin per Zoom teil. Was ihr der Weltgebetstag bedeutet, warum ein Generationenwechsel ansteht und was ihr Hoffnung gibt, darüber sprach sie im Interview mit Sibylle Sterzik.

rau Marschner, wie bereiten sich Frauen in England auf den Weltgebetstag vor?

Das geschieht ökumenisch. In vielen Gemeinden liegt es in der Hand der ganz alten Frauen, die seit Jahrzehnten die Tradition haben, sich den Gottesdienstablauf aufzuteilen. Die methodistische Kirche liest dann Seiten 2–4, die katholische Kirche Seiten 5–7 und die anglika­nische Kirche die Seiten 8–9 der ­Gottesdienstordnung. Daran halten sie fest. Es ist schwer, diese Tradi­tionen zu verändern. 

Welche Möglichkeiten sehen Sie für neue Formen?

Durch die Pandemie fanden in den letzten zwei Jahren keine Weltgebetstagsgottesdienste statt, jedenfalls nicht in der bisherigen Form.  Das hat alles ein wenig geöffnet und vielleicht bei einigen der älteren Frauen dazu geführt, dass sie nicht mehr mitmachen können oder wollen. Manche sind leider auch gestorben. So ist ein kleines Vakuum entstanden. Das bietet die Möglichkeit, etwas anderes anzubieten. So wird es in diesem Jahr auch sein. 

Ein Generationenwechsel bahnt sich an?

Genau. Ich habe jetzt die Chance,  in meinen Gemeinden die traditionelle Form etwas aufzubrechen. Bei drei verschiedenen deutsch-eng­lischen Zoom-Veranstaltungen in Berlin war ich eingebunden durch das Amt für Kirchliche Dienste. Auch Frauen aus meinen Gemeinden nahmen teil. So war der Weltgebetstag schon Thema in meiner Gemeinde.

Was machen Sie 2022 anders?

Wir docken den Weltgebetstag beim Mittagstisch an, den wir jeden Freitag anbieten. Da die Liturgie ja aus England, Wales und Nordirland kommt, werden wir ein einfaches Mittagessen mit allen möglichen Speisen „On Toast“ anbieten. Da passt es gut thematisch in das eng­lische Essen. Um 13 Uhr, wenn der Mittagstisch endet, machen wir eine kurze Diashow, eine verkürzte Form des Gottesdienstes und singen zwei ­Lieder. So können wir die Teilnehmenden mit dem Weltgebetstages ­vertraut machen und die Diskussion eröffnen: Wie wollen wir den Weltgebetstag feiern? Wie sind wir verbunden mit Frauen anderen Ländern? Wie können wir ökumenische Begegnungen feiern in einem neuen Kontext und uns nach der Pandemie neu ökumenisch verorten? 

Wer kommt zu diesem Mittagstisch und was gibt es zu essen?

Alles von „beans on toast“ (Bohnen auf Toast), verschiedene Eier und Champions, Kaffee und Kuchen. Der Mittagstisch ist offen für alle. Wir haben eine bunte Mischung aus Pensionären, Rentnerinnen und Rentnern. Sie haben sich über diesen Mittagstisch angefreundet und neue Kontakte gefunden. So durchbricht er ihre Alltagsisolation. Er ist auch offen für alle, die nicht arbeiten oder Zeit haben zu kommen.

Wo treffen Sie sich, in der Kirche?

In unserer modernen Kirche gibt es keine Bänke, sondern runde ­Tische und Stühle im Kirchsaal. Wir essen dort, wo wir auch Gottesdienst feiern. 

Was bedeutet Ihnen der Weltgebetstag, warum feiern Sie ihn mit?

Ich war immer interessiert, über den eigenen Tellerrand zu gucken. Als Jugendliche, junge Erwachsene und Studentin war er eine gute Gelegenheit, mich in den Gemeinden zu engagieren, wo ich lebte. Mit anderen Frauen zusammenzuarbeiten, war für mich immer eine besonders energiegebende Form der kirch­lichen Arbeit: über Speisen und Bräuche ein Land kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, Vergleiche zu ziehen zu der eigenen Situation. Und zu merken: Wenn wir ökumenisch arbeiten, verbindet uns viel mehr, als uns trennt. 

Der Weltgebetstag ist eine große Basisbewegung ...

Das Zusammen-Gottesdienst feiern ist eine gute Möglichkeit, um sich besser kennenzulernen an der Basis. Es geht nicht um große kirchliche Handlungen und Abkommen. Wir feiern zusammen, wir ringen ­gemeinsam um die Worte und wir sind eingeladen, ein Fest zu feiern, das andere Frauen in einem anderen Land für uns ausgerichtet haben. 

Was können Sie uns über die ­Situation von Frauen in England sagen?

Die Themen sind in der Liturgie eindeutig angesprochen. Das Thema häusliche Gewalt ist hier sehr präsent. Nicht bei den Menschen in meiner Gemeinde, aber in unmittelbarer Nachbarschaft. Im vorigen Herbst hatten wir hier im Ort einen Mord. Der Partner einer Frau tötete sie und die drei Kinder auf furchtbare Weise. Das hat mich sehr mitgenommen. Ich kannte diese Frau als eine andere Mutter in der Schule meiner Kinder. 

Wie reagierten die Kirchen?

Es fanden verschiedene Aktionen im Ort statt und wir öffneten die­ ­Kirchen zum Gebet und zum Reden. Nach Ostern laden wir zu einem Trauerworkshop für Eltern ein, bei dem sie lernen können, wie sie Kinder, die trauern, begleiten können. 

Welches Thema spielt zudem eine Rolle für die Frauen in England?

Die soziale Gerechtigkeit steht ganz oben auf der Agenda. Das Schlagwort ist gerade „The rising cost of living“ (die steigenden ­Lebenshaltungskosten) durch den enormen Gas- und Ölpreisanstieg. Viele Familien mit Mindesteinkommen stehen häufig vor der Frage: Essen oder heizen? Wenn man ohnehin schon mit einem Fuß am Abgrund steht, wie soll man das entscheiden? Ich finde das sehr bedrückend. Schon während der Pandemie waren viele Familien auf Tafeln angewiesen, jetzt noch mehr. Auch die ­Tafeln rechnen damit, dass immer mehr Leute ihre Essenspakete ­benötigen. 

Die Kirchen helfen dabei mit?

Als Kirchen wollen wir helfen und gleichzeitig fühlt es sich an wie ein Tropfen auf den heißen Stein, weil es an der Situation nichts verändert. Da fehlt der politische Wille auch der Regierung, die seit elf Jahren regiert und die sozialen Einsparungen immer weitertreibt. Dabei verliert sie die Schwächsten aus dem Blick.

Welches Thema ist noch wichtig? 

Das dritte große Thema ist Disability (Behinderungen) und Diversity (Verschiedenartigkeit). Inklusion ist ein großes Thema. Auch die Frage, was der Unterschied ist zwischen inklusiv und dazugehören? Selbst wenn man ein Gebäude behindertengerecht einrichtet, heißt das ja noch nicht, dass die Menschen mit Behinderung wirklich willkommen sind und ein Teil der Gemeinschaft werden können. Da arbeiten wir in den Kirchen immer noch an einer Veränderung des Bewusstseins. Das bleibt eine Herausforderung. Ich würde diese Frage auch erweitern auf Diversity. 

Wie steht die Methodistische ­Kirche dazu?

Die methodistische Kirche hat letzten Sommer endlich die Ehe für alle befürwortet und eingeführt. Trotzdem gibt es da noch große Diskussionen in den Gemeinden und nicht alle sind damit einverstanden. Aber wir lernen mit diesen unterschiedlichen Meinungen zu leben und Konfrontationen auszuhalten.

Warum ist Schottland nicht mit dabei?

Schottland hatte schon ein Weltgebetstagskomitee, bevor die anderen drei Länder eins hatten. Es ist eine historische Entwicklung, dass Wales, Nordirland und England ­zusammenarbeiten und Schottland allein arbeitet. 

Wie ist die Liturgie entstanden?

Auf einer unserer Zoom-Veranstaltungen erzählte Carole Bowne, ein Mitglied des Komitees der drei Bundesländer, dass sie einander durch viele Begegnungen und durch „das zusammen Reisen“  („we travel together“), kennen­gelernt haben. Dabei wurde das Verbindende als auch die unterschiedlichen ökumenischen Einflüsse deutlich und die Frauen ­lernten voneinander. 

Welche Konfessionen sind in dem Weltgebetstagskomitee vertreten?

In den unterschiedlichen ökumenischen Konstellationen sind Pfingstkirchen, Katholikinnen, ­Anglikanerinnen, Quäkerinnen und methodistische Frauen zusammen. Sie haben sich in den letzten Jahren sehr bemüht, auch den Generationenwechsel zu vollziehen und ­jüngere Frauen mit ins Boot zu holen. Unter dem Slogan „Y-pray?“ („warum beten?“), gelang es, einige jüngere Frauen zu gewinnen, die jetzt auch im Komitee sind. Das ist auch wichtig für die Diversity.

Inwiefern spielen die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland für den ­Weltgebetstag eine Rolle?

Das ist eine gute Möglichkeit, ­darüber zu informieren und zu sprechen. Das Thema wird sonst in England kaum wahrgenommen. In der Presse werden vor allem die Schwierigkeiten und Engpässe infolge des Brexit thematisiert. Durch die neuen Brexit-Regeln ist Nord­irland stärker betroffen von Importschwierigkeiten und gekappten Verbindungen, die vorher problemlos liefen. Brexit-Gegnern  war schon vor dem Referendum klar, dass der irisch-nord­irische Frieden auf dem Spiel steht. Die politische Tragweite der Brexit-Entscheidung wurde von den meisten nicht wahrgenommen.

Was gibt Ihnen Hoffnung für die Frauen in England und jetzt auch in der Ukraine?

Die Solidarität miteinander. Ich finde es wichtig, dass wir den Blick nicht abwenden, sondern überlegen, wie wir mit unseren begrenzten Möglichkeiten helfen können. Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber für diese eine Frau in ihrer Situation macht es einen ­großen Unterschied, wenn ich ihr meine Zeit, meine Hilfe, mein Gebet und mein Geld anbiete. Da setze ich meine ­Hoffnung an. Wir können mit unserer Nachbarin, mit einem Menschen ­an­fangen, und dann jeden Tag ein ­anderer. Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten kleine Dinge tun, dann wird die Welt sich verändern. Daran glaube ich. 

Die Stadt Sheffield, bis in die 1980er Jahre Stahlmetropole, liegt im Norden Englands. Mit 585000 Einwohnern zählt sie zu den größten Städten des Landes.

Der Sender Bibel TV sendet am 4. März um 19 Uhr einen Gottesdienst zum Weltgebetstag. (Wiederholungen: Sa, 5. März, 14 Uhr und So, 6. März, 11 Uhr).  Parallel dazu läuft die Online-Premiere des Gottesdienstes über den YouTube-Kanal des Weltgebetstages (weltgebetstag.de) sowie bei Facebook. Am 4. und 5. März  wird online die barrierefreie Version mit Gebärden­sprache ausgestrahlt.

 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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