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Sorgende Gemeinschaft

Die ökumenische Woche für das Leben steht unter dem Thema „Mittendrin. Leben mit Demenz“

Foto: Woche für das Leben

Von Andreas Kruse

In den unterschiedlichen Formen der Demenz zeigt sich die Verletzlichkeit des Menschen besonders deutlich, denn die Demenz berührt mehr oder minder alle Dimensionen der Person. Die im Prozess der Krankheit immer weiter abnehmenden Fähigkeiten und Fertigkeiten der Person lassen ihre unbedingte Angewiesenheit auf Unterstützung und Solidarität durch andere Menschen immer klarer zutage treten. Die Ernsthaftigkeit wie auch das Ausmaß der geleisteten ­Unterstützung und gezeigten Solidarität sind zuallererst von unserer ­Fähigkeit und Bereitschaft bestimmt, uns vom Antlitz des Anderen berühren zu lassen, wie dies der Philosoph Emmanuel Lévinas (1905–1995) ausgedrückt hat. Diese Bereitschaft und Fähigkeit wiederum ist an unser Verständnis der Person sowie an die Antwort auf die Frage gebunden, ob wir den Menschen mit Demenz auch weiterhin als Person verstehen und sie als solche ansprechen. 

Die Forschung zum Innenleben bei Demenz zeigt auf, dass das Selbst, also der Kern der Person, auch in den späteren Phasen der Demenz inselförmig erkennbar und erfahrbar ist. Gerade in jenen Situationen, die eng mit den subjektiv bedeutsamen ­Situationen in der persönlichen ­Biografie verwandt sind, die also ein biografisches Erinnerungszeichen tragen, zeigt die Person mit Demenz eine ausgeprägte emotionale Reaktionsbereitschaft. Gleiches gilt für das Verhalten gegenüber Menschen, die in der Biografie zu den engsten ­Vertrauten gehörten.  

Die engen Beziehungen zwischen Gegenwart und Biografie machen deutlich, wie wichtig es ist, dass die Person mit Demenz von sehr Vertrauten umgeben ist. Alle Menschen, die willens und in der Lage sind, mit der an Demenz erkrankten Person in einer einfühlsamen, von Wertschätzung bestimmten Weise zu sprechen und auf sie in dieser Weise zu antworten, sind für deren Lebensqualität und Wohlbefinden von größter Bedeutung. 

Schon dies zeigt, wie wichtig sorgende Gemeinschaften sind, die sich um die Person anteilnehmend, stimulierend und fördernd gruppieren. Sie tragen dazu bei, dass sich auch in späteren Phasen der Demenz Gefühle der biografischen Kontinuität einstellen. Sorgende Gemeinschaften, denen neben Familienangehörigen auch Freunde, Bekannte, Nachbarn und Mitglieder der Kirchengemeinde angehören, gewinnen auch mit Blick auf die betreuenden oder pflegenden Angehörigen großes Gewicht. Denn sie vermitteln die Erfahrung, nicht vergessen, sondern auch weiterhin Teil von (kommunaler, kirchlicher) Gemeinde zu sein.  

In den sorgenden Gemeinschaften liegt ein ungemeines Potenzial von Kirche und Kirchengemeinden: Kirche ist ja in ihrem Kern als ­Gemeinschaft der Gläubigen zu verstehen, aus der keine Gläubige, kein Gläubiger ausgeschlossen werden darf – auch und schon gar nicht Menschen, die aufgrund einer schweren Erkrankung in ihrer Selbstständigkeit und Autonomie deutlich eingeschränkt sind. Im Gegenteil: Gerade in der Identifikation mit den Schwächsten, den Verletzlichsten,  kann sich Kirche bewähren und ­zeigen, was „Gemeinde“ bedeutet. 

Dabei ist die Verkündigung wichtig, die uns als Gemeindeglieder immer wieder dafür sensibilisiert, wie sehr wir durch unsere Einstellung und durch unser Handeln zum Wohl der Person mit Demenz sowie ihrer Angehörigen beitragen können. 

Und es sei betont: Das Wort „Person“ leitet sich aus dem lateinischen „personare“, übersetzt: „durch-­tönen“ ab. Dies bedeutet für die christliche Anthropologie: Gottes Wort ist in ­unserem Gegenüber vernehmbar. Dies weist einmal mehr auf Achtung hin, die wir der Person mit Demenz entgegenbringen sollen. 

Andreas Kruse ist ­Seniorprofessor und ehemaliger Direktor des Instituts für ­Gerontologie an der Universität Heidelberg und ­Mitglied im ­Deutschen Ethikrat.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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