Die Hoffnung, die zusammenhält
VonMarkus Geiler (epd) und dk
„Hoffnung vertröstet nicht; sie befreit zu Handeln und Protest“, heißt es in einer Erklärung der Landessynode, die vom 9. bis 12. November getagt hat. In der Erklärung rufen die 108 Synodalen zum aktiven Einsatz gegen den Klimawandel auf, für Frieden und gegen soziale Ungerechtigkeit. Es sei die Hoffnung, die Christinnen und Christen zusammenhält, betonte Kirchenleitungsmitglied Sigrun Neuwerth.
„Wir sehen, dass unser menschliches Tun und Lassen die Erde in Gefahr bringt“, heißt es in der Erklärung mit dem Titel „Hoffen und Handeln ihn belasteter Zeit“. Deshalb würden alle Menschen gebeten, nötige Schritte aus dieser Gefahr zu wagen: „Wir ermutigen zum Dialog mit allen für den Klimaschutz Engagierten.“ Am 11. November hatte Bischof Christian Stäblein in seinem „Wort des Bischofs“ an die politisch Verantwortlichen appelliert, den Dialog auch mit der umstrittenen Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ zu suchen.
Keine Spinner und Chaoten
„Es sind keine Spinner, es sind keine Chaoten, es könnten meine, Ihre Kinder sein. Und sie verstehen nicht, dass sich nichts ändert“, sagte Stäblein. Er erhielt Beifall von den Synodalen. Diese Menschen wollten sich mit ständigem Vertagen und leeren Versprechungen nicht mehr abfinden, sagte er. Er wolle dabei ihre Methoden nicht rechtfertigen, betonte Stäblein. Die Kirche sollte immer für Gespräche offen sein und gegebenenfalls den Austausch mit der Politik ermöglichen. „Ich lade ein zu diesem Gespräch und bitte die Regierenden, sich diesen Gesprächen zu stellen“, so Stäblein.
Außerdem rief der Bischof die politischen Verantwortlichen auf, gemeinsam über die Bibelinschrift auf der Kuppel des Humboldt-Forums nachzudenken. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) hatte kürzlich eine temporäre Überblendung vorgeschlagen. „Einen Kulturkampf, der so tut, als hätte man es heute mit Vertreterinnen und Vertretern der Religion zu tun, die man vor allem in die Schranken weisen muss, finde ich irritierend und abwegig“, so Stäblein. „Und einen Staat, der meint, alles Religiöse gehöre heraus aus dem öffentlichen Raum, selbst wenn es historisches Zeugnis ist, würde ich vor Selbstüberhebung warnen“, sagte er weiter.
Keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges heißt es in der „Hoffnungs“-Erklärung zudem: „Wir bitten und ermutigen alle Menschen, sich für gerechten Frieden und Freiheit einzusetzen.“ Die Synodalen betonen, dass es keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse gibt. Flankiert wurde diese Aussage mit einem Beschluss, nach dem bei der Vergabe der Mittel aus dem landeskirchlichen Hilfsfonds Geflüchtete aus allen Ländern gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Damit machten die Synodalen einen Beschluss aus dem Frühjahr rückgängig, der zunächst nur Projekte für Geflüchtete aus der Ukraine für den Hilfsfonds im Blick nahm.
Ein anderer Beschluss wurde nicht rückgängig gemacht. Das Landeskirchenweite Intranet (LKI) soll auch zukünftig als das verbindliche Kommunikationsmittel der Landeskirche genutzt und daraufhin ausgebaut werden. Eine Gesetzesevaluierung soll die Kirchenleitung zur Frühjahrssynode 2025 vornehmen. Die Kirchenleitung hatte vorgeschlagen, den Benutzungszwang aufzuheben.
Eine Mehrzahl von Synodalen stellte sich in der Diskussion hinter das LKI, so zum Beispiel die Prignitzer Superintendentin Eva-Maria Menard. Es brauche eine gesamtkirchliche Lösung und keine Insellösungen in den einzelnen Kirchenkreisen, so Menard. Diese müssen solidarisch miteinander handeln – auch was die Finanzierung des LKI betrifft: „Finanzstarke Kirchenkreise können bestimmt eigene smarte Lösungen auf den Weg bringen, kleine Kirchenkreise haben diese Kapazitäten nicht.“
Deshalb braucht es für die Finanzierung des LKI auch den Vorwegabzug: Alle Kirchenkreise, egal ob sie das System (schon) nutzen oder nicht, zahlen dafür. Die Landessynode hat außerdem entschieden, dass ein Beirat eingerichtet werden soll, um die weiteren Schritte zur Qualitätsverbesserung zu begleiten. Auch Nutzer*innen sollen vertreten sein.
27 Fälle sexualisierterGewalt bekannt
Ein weiteres Schwerpunktthema war der Bericht zum Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Landeskirche. Demnach sind bislang 27 Fälle sexualisierter Gewalt bekannt. Der jüngste Fall ereignete sich in den Jahren 2016/2017. Alle anderen Übergriffe fanden zwischen 1958 und 1996 statt. Eine Mitarbeiterin des Konsistoriums arbeitet derzeit die Personalakten aus der Zeit von 1960 bis 1990 auf.
Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt „ist und bleibt eine gemeinsame Aufgabe aller, die in unserer Kirche mitwirken“, sagte Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein. Vordringliche Aufgabe sei es, erlittenes Leid anzuerkennen: „Es geht nicht um unseren Ruf, es geht um die Menschen, die Betroffenen.“ Um Menschen ging es auch mit Blick auf die rückläufigen Mitgliederzahlen. Bischof Stäblein plädierte für einen verstärkten Umbau der evangelischen Kirche. „Mitgliedschaftslogiken“ und Zugehörigkeiten müssten anders gedacht werden, forderte er. „Denn wir verlieren nicht Zahlen, wir verlieren Menschen.“ Mitgliedschaftslogiken würden zunehmend durch fluide Netzwerke ersetzt, sagte er. Zugehörigkeit verstehe sich längst an vielen Stellen nicht nur über Gemeinden, sondern über andere Orte wie Kitas, Diakonie, evangelische Schulen, digitale Netzwerke und punktuelle spirituelle Angebote, sogenannte Dritte Orte. Deshalb müssten diese weiter ausgebaut und entsprechend stärker finanziert werden, sagte Stäblein.
Ein Antrag alter Leute
Eine stärkere finanzielle Entlastung wünschen sich hingegen einige Kirchengemeinden aufgrund der aktuellen finanziellen Herausforderungen. Die Berliner Kirchengemeinden Oberschöneweide und Niederschöneweide hatten beantragt, die ab 2023 verpflichtende CO2-Abgabe in einen landeskirchlichen Klimaschutzfonds auszusetzen. Steigende Heizkosten, zu erwartende Nachzahlungen und die zusätzliche Belastung der Abgabe drohten die Handlungsfähigkeit der Gemeinden massiv einzuschränken, hieß es zur Begründung.
„Das ist ein Antrag alter Leute, ich darf das sagen, weil ich dazugehöre, auf Kosten junger Leute“, sagte der Synodale Jürgen Israel in der Debatte. „Über Klimaschutz kann man nicht verhandeln. Wir haben keine Zeit mehr!“, sagte Pfarrer Jens Meiburg aus Brandenburg (Havel). Pfarrer Reinhard Zöllner aus der Weinberggemeinde in Berlin-Spandau wiederrum berichtete, dass seine Kirchengemeinde seit drei Jahren versuche, auf nachhaltige Energiequellen umzusteigen – aufgrund von Versorgungsengpässen und steigender Kosten erfolglos.
Die Mehrheit der Synodalen sprach sich schließlich gegen den Antrag aus. Die Landeskirche wird in ihrem Nachtragshaushalt 2022, der auf der Tagung verabschiedet wurde, zusätzliche neun Millionen Euro einstellen, um Gemeinden in aktueller Not unter die Arme zu greifen. Die Summe ist durch Mehreinnahmen aus Kirchensteuermitteln möglich.
Alle Beschlüsse online: www.ekbo.de/Landessynode
Weitere Beschlüsse der Landessynode:
-Die Synodalen wählten die Notarin Claudia Bühler aus Berlin-Friedenau zur Vizepräses. Die bisherige Vizepräses Martina Heyde, die in der vorherigen Synode Mitglied der Kirchenleitung war, hatte ihre Mitgliedschaft in der Landesynode aus beruflichen und persönlichen Gründen niedergelegt
-Der Kollektenplan wird von einem zweijährigen auf einen sechsjährigen Turnus umgestellt, was keine wesentlichen inhaltlichen Auswirkungen auf den Plan haben werde, so Superintendent Uwe Simon, Vorsitzender des Kollektenausschusses.
-Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl (SPD), forderte in einem Gastvortrag mehr Wertschätzung für Bundeswehr*soldatinnen auch in der Kirche.