Von Alexander Brodt-Zabka
Vor einigen Wochen hat der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen Artikel zu „Religion in Zeiten von Corona“ geschrieben. Darin bemängelte er „das laute theologische Schweigen“ der führenden Geistlichen“. Wolffsohn schreibt: „Ich jedenfalls habe keine theologisch tiefgreifende Interpretation dieser Pandemie seitens führender Geistlicher registriert. Das ist umso verstörender, als sich gerade die religiösen Spitzenrepräsentanten aus Judentum, Christentum und Islam sonst zu fast allem und jedem zu Wort melden.“ Er bezieht seine Aussage anschließend auf Repräsentant*innen aus den beiden christlichen Kirchen in Deutschland, aber auch auf Israels Oberrabbiner und die iranischen Mullahs.
Ich bin kein Freund von Michael Wolffsohn. Seine Einschätzungen teile ich meist nicht, manches Mal ärgere ich mich über sie. Aber das laute theologische Schweigen im Angesicht von Corona höre ich auch. Es dröhnt mir seit einigen Wochen beständig in den Ohren. Es tut mir weh und ich leide darunter.
Die Aussagen, die ich von den Repräsentant*innen unserer Kirche gehört habe, sind bestenfalls lau. Meist beziehen sie sich auf den „Lebensschutz“: Man müsse doch alles tun, um Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus und der Gefahr einer Covid-19-Erkrankung zu schützen. Daher sei auch das Aussetzen der analogen Gottesdienste in unseren Kirchen gerechtfertigt gewesen sowie nun die Verwendung von Atemschutz-Masken und der Verzicht aufs Singen. (...)