Frieren und einsam sein? Das muss nicht sein, wenn jeder aufmerksamer wird für seine Mitmenschen
Von Thomas de Vachroi
Viele in unserem Land reden im Moment von Wärme und Licht. Die einen machen sich Sorgen um die Energiekosten und andere wiederum wissen nicht, wie sie die kalten Tage auf der Straße überleben sollen. Wo finde ich eine wärmende Stube? Wo bekomme ich ein warmes Essen und einen Platz zum Schlafen? Seit vielen hundert Jahren ist das so. Die einen wissen nicht, wie sie über die Runden kommen im alltäglichen Kampf gegen die Not und andere wiederum leben in großem Überfluss.
Doch Gesellschaften können sich ändern und das tun sie, auch wenn es noch nicht genug ist. Wir erleben gerade jetzt eine große Solidarität für Menschen in Not. Und in Not sind viele Menschen, sei es durch Vertreibung, Klimawandel, Kriege und Zerstörung, Krankheit oder Menschen ohne Wohnraum und ohne Arbeit. Viele Ehrenamtliche kümmern sich liebevoll um Menschen in Not. Nicht nur die christlichen Gemeinden sind daran beteiligt, es sind große gesellschaftliche Gruppen, die die Not lindern wollen. Den Glauben in der Gemeinschaft zu leben, gibt Geborgenheit im Schutz der Kirche, es stärkt das Wir-Gefühl und bildet damit ein solidarisches Fundament, um das gesellschaftliche Leben gemeinsam mitzugestalten – nicht nur aus christlicher Sicht heraus, sondern als Mensch. Mit Nächstenliebe und wahrer Mitmenschlichkeit kann man die (soziale) Kälte besiegen und helfend eingreifen. Der Staat allein kann mit Gesetzen die Ursache der Not kaum bekämpfen und ist auf die gesellschaftlichen Kräfte angewiesen.
Manche Hilfe kostet kein Geld
Das leisten landesweit hunderte soziale Einrichtungen. Städte, Gemeinden und Kommunen weisen in ihren Mitteilungen darauf hin: vom Kältebus über Wärmestuben bis zu den Öffnungszeiten der Kirchen. Dutzende Aktionen wie Weihnachtspakete für obdach- und wohnungslose Menschen, Weihnachten im Schuhkarton, Weihnachtsessen oder Schlafplatzpaten sind nur einige Beispiele für die Unterstützung gesellschaftlicher Gruppierungen. Manche Investition in mehr Wärme und Licht kostet nicht einmal Geld. Ich muss einfach nur aufmerksamer für meine Mitmenschen werden und ihnen Hoffnung geben.
Wir reden immer gerade im Winter davon, Wärme zu verschenken. Doch die Not dauert nicht nur eine Winterzeit lang, sie ist immer und allgegenwärtig. Sie begleitet uns ständig durch den Alltag und die Jahre. Die Gruppen der Notleidenden werden immer größer, obwohl das solidarische Tun scheinbar wächst: Rentnerinnen und Rentner, Alleinstehende mit Kindern, Geflüchtete aus den Kriegsgebieten, schwerkranke Menschen, Menschen aus Europa, die ihr Glück suchen und ihrem bisherigen Leben damit eine Wendung geben wollen, Menschen in großer wirtschaftlicher Not, die doch nur einen Platz zum Leben suchen.
In meinem Umfeld erlebe ich gerade viele Christinnen und Christen, aber auch privat Unterstützende, die schier an der wachsenden Not, ausgelöst durch die menschengemachten Krisen, resignieren und verzweifeln. Wie sollen wir das schaffen? Der Tag hat doch nur 24 Stunden.
Hilfe für Sinn-Perspektiven
Die Not der Menschen ist nicht gottgegeben. Ihre Ursache liegt auch nicht im Versagen der leidenden Menschen, das Leben zu meistern. In unserer Verantwortung liegt es, die Not zu lindern, Hilfe anzubieten und Perspektiven aufzuzeigen, damit Menschen wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und ihrem Leben wieder einen Sinn geben können. Wärme zu verschenken, ist ein kleiner Aspekt der Hilfe. Viele Einrichtungen sozialer Träger öffnen zu Weihnachten und bieten neben warmer Kleidung und Essen einen wärmenden Ort an, um der Einsamkeit entgegenzuwirken. Kirchen öffnen ihre Tore, um Hilfesuchende zu unterstützen, ein wärmendes Plätzchen zu finden. Doch reicht das wirklich aus?
Das Recht auf Wohnen für alle
Ich sage nein, denn Menschen sollten das Recht haben, wohnen zu dürfen. U-Bahnschächte und Straßen sind kein Wohnraum. Natürlich tut man vieles, sei es mit Notunterkünften, mit sogenannten Wärmebussen, mit vielen Aktivitäten wie Kleidersammlungen und finanzieller Unterstützung. Für Wärme benötigt man Energie und damit meine ich nicht die fossilen Brennstoffe oder die aus Wasser, Sonne und Wind. Menschliche Energie bedeutet Zeitspende, es bedeutet neben dem Handeln auch finanzielle Zuwendung und dafür braucht man starke Partner. Es gibt in unserer Gesellschaft viele große und kleine Unternehmen, die sich dem sozialen Netzwerk „Wärme spenden“ angeschlossen haben. Sie eröffnen vielen sozialen Trägern und Gruppierungen die Möglichkeiten, zusätzliche Hilfen anzubieten.
Starke Partner übernehmen soziale Verantwortung
Sie wissen um ihre hohe soziale Verantwortung und fördern weiterhin Projekte und Unterstützungsleistungen. Ohne diese finanzstarken Zuwendungen wäre es viel schwerer, so vielen Menschen Wärme zu schenken. In mittlerweile überwältigender Form zeigen sie ihr Mitgefühl für Menschen in Not und unkomplizierte Hilfen. Seien es Sachspenden oder direkte Hilfe im Rahmen von Feierlichkeiten zu Advent und Weihnachten, aber auch darüber hinaus. Das soziale Netzwerk für Wärme wird immer größer und das lässt für die Zukunft hoffen.
Darum bitte ich Sie auch weiterhin, die Ärmsten der Armen nicht im Stich zu lassen. Ich hoffe, dass die Solidarität in unserer Gesellschaft fortdauert.
Thomas de Vachroi ist Armutsbeauftragter des evangelischen Kirchenkreises Berlin-Neukölln.