Von Bertold Höcker
Wie eine Erlösung wirkte die Schulderklärung der Kirchenleitung am vergangenen Freitag während des Gottesdienstes zum Christopher Street Day (CSD) in der St. Marienkirche in Berlin-Mitte. Etliche der Anwesenden mussten genau das durchleiden, was die Schulderklärung aufzählt: peinliche Befragungen, Unterstellungen, Karriereabbruch, Diskriminierungen.
Dass nach langem synodalen Prozess jetzt die Kirchenleitung sich zur Schuld gegenüber queeren Menschen öffentlich bekannt hat, fühlte sich für die Vielen, die ihr ganzes Leben in der Kirche nur am Rand maximal geduldet wurden, als eine große Erlösung an. Die Reaktionen nach dem Gottesdienst bestätigen diesen Eindruck. Gleiches gilt für die Rückmeldungen durch Bundes- und Landesregierung während der Gottesdienstfeier.
Mit der Schulderklärung endet formal und inhaltlich eine jahrhundertelange Diskriminierung von LGBTIQ*Personen sowohl durch theologische Festlegungen als auch mangelnde Unterscheidung zwischen dem Befund der Heiligen Schrift und der kulturellen Überlieferung. Informationsdefizite dazu zeigten sich noch bei der Diskussion des durch die Landessynode initialisierten Konsultationsprozesses nach 2016 zur Gleichstellung der Trauung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Paare. Eine Informationsbroschüre zu den theologischen und kulturellen Inhalten wurde für den CSD-Gottesdienst vom Kirchenkreis Stadtmitte noch einmal erstellt.
Etliche der Gottesdienstbesuchenden hörten der Verlesung der Schulderklärung durch den Bischof mit Tränen in den Augen zu, besonders als es hieß: „Trotz dieser Erfahrungen, trotz Ausgrenzung, trotz mangelnder Akzeptanz und mangelnder Anerkennung blieben Menschen, die gleichgeschlechtlich liebten und lieben, ihren Gemeinden, ihrer Kirche treu und verbunden.“ Dieser Satz stellt für Viele eine Anerkennung und erste Wiedergutmachung für jahrzehntelanges Leiden innerhalb der verfassten Kirche dar. Die Wirkung und Stellung der Schulderklärung kann daher nur historisch genannt werden. Das gilt nicht nur für theologische Klarstellungen, die in der wissenschaftlichen Exegese bereits seit Jahrzehnten gefordert wurden, sondern auch für den Neubeginn, den die Schulderklärung darstellt.
Künftig will unsere Kirche an der Seite queerer Menschen stehen, um deren Diskriminierung innerhalb und außerhalb der Kirchenmauern zu wehren. Mit der Erklärung beginnt ein neuer langer Weg, wirklich diskriminierungsfreie Kirche der Vielfalt zu sein. Auch andere Landeskirchen versuchten Entschuldigungen, nachdem Diskriminierungen queerer Lebensformen weitgehend abgebaut wurden. Allerdings sucht die Schulderklärung der EKBO ihresgleichen, weil sie sowohl echte Betroffenheit über das Geschehene als auch Ansätze künftiger Entschei-dungen beschreibt, die bislang keine andere Landeskirche auszusagen wagte. In der Gruppe der Angesprochenen zeigte sich durch diesen besonderen Ton die Ernsthaftigkeit der Aussagen in authentischer Glaubwürdigkeit. Der Mut der Kirchenleitung spricht für eine aufgeklärte, lebendige Kirche, die Schuld nicht verdrängt und neue Wege zu gehen wagt. Ich bin stolz, eines ihrer Glieder zu sein.
Die Informationsbroschüre zu den theologischen und kulturellen Inhalten kann kostenlos unter www.kkbs.de/publikationen heruntergeladen werden.