Von Susanne Atzenroth
Weit und hell ist die Wagenitzer Kirche (Kirchenkreis Nauen-Rathenow). Große Fenster werfen Licht auf den Kirchenraum, der viel Platz bietet –ideal für große Hochzeitsgesellschaften. „Wir haben oft Anfragen von Paaren, die gerne in unserer Kirche heiraten möchten“, berichtet Manfred Gräning vom Gemeindekirchenrat. Größere Umbauarbeiten dazu finden schon seit mehreren Jahren statt. Aktuell steht im Altarraum der barocken Saalkirche von 1785 allerdings die mobile Werkstatt der Archäologen, die Anfang Juli mit den Restaurierungsarbeiten in der Gruft der ehemaligen Patronatsfamilie von Bredow begonnen haben.
Von einem wandfüllenden Porträt neben der Kanzel blicken sie auf die dort Arbeitenden hinab: Der 1627 geborene Hans Christoph von Bredow mit Ehefrau Barbara Dorothea von Görne und ihren zehn Töchtern und Söhnen. „Als Kind überlebte dieser Adelige am Ende des Dreißigjährigen Kriegs als Einziger die Ermordung seiner ganzen Familie“, weiß der Wagenitzer Wilfried Fürstenow zu berichten. Der ehemalige Kirchenälteste wohnt gleich nebenan und verwaltet die Schlüssel der Kirche, in der er getauft, konfirmiert und getraut wurde.
Heute will er das erste Mal mit hinab in die Familiengruft der von Bredows steigen, die vor wenigen Wochen nach über 150 Jahren wieder geöffnet wurde. Ein Holzvorbau schützt den Eingang der Grabstätte. Hier soll eine denkmalgerechte Umhausung entstehen und Interessierten sowie Fachpublikum Einlass gewähren.
Auch Andreas Flender, Baubeauftragter der Kirchengemeinde Havelländisches Luch, zu der neben Wagenitz auch die Gemeinden Brädikow, Haage, Paulinenaue, Pessin und Senzke gehören, klettert die provisorische Holzleiter hinunter. Das Licht seiner Taschenlampe fällt auf die stattlichen Särge, die nebeneinander und übereinander auf dem festen Sandboden stehen. 26 Erwachsene und zehn Kinder wurden hier zwischen 1700 und 1849 bestattet, bevor man die Gruft endgültig zumauerte.
Wie alle Wagenitzer wusste Wilfried Fürstenow schon seit seiner Kindheit von der Begräbnisstätte unter der Kirche. Oft hatte er als Kind durch die beiden vergitterten Belüftungsöffnungen in den gegenüberliegenden Seitenwänden geblickt. Schemenhaft seien die Särge zu sehen gewesen und leider zunehmend auch einige skelettierte Körperteile – denn im Laufe der Zeit verfaulten zahlreiche Unterteile der Holzsärge. „Das hat uns zu der Entscheidung bewogen, die Gruft zu öffnen und zu restaurieren“, so Andreas Flender.
Fördermittel für diese Rettungsaktion erhielt die Kirchengemeinde unter anderem aus dem Deutschen Denkmalhilfefonds. Inzwischen sind die Kindersärge geborgen und werden behutsam aufgearbeitet.
Unten in der Gruft ist es trotz der sommerlichen Hitze kühl, ein leichter, frischer Luftzug weht. Zwei massive Holztüren trennen die drei Räume der Gruft. „Sie standen wohl die ganze Zeit offen, dadurch hat sich ein gutes Raumklima erhalten“, vermutet der Baubeauftragte. Manche Särge tragen Namen, andere nicht. „Wer genau aus der großen Familie hier bestattet wurde, ist noch nicht genau geklärt“, berichtet er. In Zusammenarbeit mit einer Nachfahrin, die Zugriff auf das Familienarchiv hat, und Archäologen werde nun versucht, die sterblichen Überreste zuzuordnen.
Gleich mehrere Orte in der Kirchengemeinde Havelländisches Luch sind eng mit den von Bredows verknüpft. Die Familie ist eines der weitverzweigtesten Adelsgeschlechter in Brandenburg und – will man Fontane glauben – „die wichtigste der Mark“. Auch in Wagenitz stand einst ein stattliches Herrenhaus. Es brannte 1945 nieder. Nur der Küchenturm mit zwei Feuerstellen, heute Heimatmuseum des Ortes, der Gutspark und die einstige Patronatskirche blieben erhalten.
Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten sollen alle hier bestatteten Familienmitglieder unter kirchlichem Segen wieder einen Platz in der Gruft erhalten. Dann werden wohl auch die anderen Arbeiten abgeschlossen sein. „Im nächsten Frühjahr können die ersten Hochzeiten in unserer schönen Kirche stattfinden“, freut sich Manfred Gräning.