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Wirtschaft ankurbeln, Schöpfung bewahren

Welche Herausforderungen stehen für die EU an, wenn Deutschland die Ratspräsidentschaft übernimmt? Darüber spricht Katrin Hatzinger, Leiterin des Brüsseler Büros der EKD, im Interview mit „die Kirche“

Deutschland EU Kirche Fördermittel
Foto: epd

Am 1. Juli übernimmt Deutschland turnusmäßig für ein halbes Jahr lang die Ratspräsidentschaft in der EU. Was haben wir Europäer davon?

Man darf die Erwartung an eine Ratspräsidentschaft nicht überfrachten. Aber Deutschland ist der wirtschaftlich stärkste Mitgliedstaat. Gerade in krisenhaften Zeitenbesteht natürlich die Hoffnung, dass Deutschland in festgefahrenen Verhandlungen vielleicht die notwendigen Impulse gibt.Wenn es ums Geld geht, mit 27 Mitgliedstaaten und ihren teils sehr unterschiedlichen Interessen und dem Brexit am Firmament, braucht man schon einen erfahrenen Mitgliedstaat, der diese schwierigen Verhandlungen gut moderieren und es schaffen kann, die Staaten auf eine Linie zu bringen.

Wofür?

Jetzt geht es darum, so schnell wie möglich wieder wirtschaftlich auf die Beine zu kommen, die Menschen wieder aus der Kurzarbeit und aus der Arbeitslosigkeit heraus zu bekommen− zumal in Staaten wie Italien und Spanien, die durch die Pandemie besonders heftig getroffen sind. Das kann nur mit entsprechenden Instrumenten gelingen. Dazu gehört der „Mehrjährige Finanzrahmen der EU“, der Ende des Jahres für die Periode 2021 bis 2027stehen muss. 

Wie wirkt sich so ein „Mehrjähriger Finanzrahmen der EU“ auf das kirchliche, religiöse und diakonische Leben vor Ort aus?

Viele kirchliche und diakonische Einrichtungen werden mit Fördermitteln aus EU-Geldern ausgestattet. Wenn es uns nicht gelingt, uns über die nächsten sieben Jahre bis zum Ende des Jahres zu verständigen, dann droht eine Förderlücke, weil die aktuellen Förderprogramme dieses Jahres auslaufen. 2019 wurden in Deutschland insgesamt 13 EU-geförderte Projekte unter Beteiligung evangelischer Einrichtungen bewilligt. Darin geht es zum Beispiel um zukünftiges Ehrenamt in Europa oder um Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung in europäischen Grenzregionen. 

Was passiert also, wenn sich die Mitgliedsstaaten nicht bald auf den EU-Haushaltsplan 2021–2027 verständigen? 

Wenn das bis Ende des Jahresnicht klappt, dann gibt es kein frisches Geld im EU-Haushalt für wichtige europäische politische Vorhaben, etwa den neuen „Grünen Deal“, aber auch Förderlücken für Projekte, unter anderem solche in kirchlicher Trägerschaft.

Welches Interesse verfolgt die Evangelische Kirche in Deutschland darüber hinaus?

Wie gerade bereits angesprochen: Es darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die EU-KommissionAnfang des Jahres einen neuen „Grünen Deal“ vorgeschlagen hat. Die ambitioniertenNachhaltigkeits- und Umweltzieledieses „Deals“ liegen auf der Linie, die die Kirchen unter dem Stichwort „Bewahrung der Schöpfung“ seit Jahren verfolgen. Auch im Bereich der europäischen Sozialpolitik sind gute Initiativenangestoßen worden , zum Beispiel auf dem Weg zu einem „Europäischen Mindestlohn“.

Könnte Migration und Asyl, verbunden mit dem Flüchtlingsdrama an den europäischen Außengrenzen, nachrangig werden?

Das Thema Asyl und Migration wird weiterals wichtiges Thema gesehen. Wir warten jetzt wöchentlich darauf, dass die Europäische Kommission einen lange angekündigten „Pakt für Migration und Asyl“ vorlegen wird. Deutschlands Rolle wird sein, einen Fahrplan zu erstellen, wie man die reformbedürftigen Asylregeln auf EU-Ebene so anpassen kann,dass alle Mitgliedstaaten dahinterstehen und dass Menschen- und Grundrechte der Schutzsuchenden geachtet werden. 

Bei der Frage der Verteilung von Flüchtlingen auf EU-Mitgliedstaaten stehen sich zwei Lager ziemlich unversöhnlich gegenüber. 

Angesichts der unvereinbarten Positionen zur Verteilung von Schutzsuchenden zwischen den osteuropäischen Ländern und Ländern wie Deutschland und Frankreich sowie den südeuropäischen Länder, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge besonders belastet sind − frage ich mich, wie dieser Widerspruch aufzulösen ist. Äußerungen aus osteuropäischen Ländern wie Polen und Ungarn lassen nichts Gutes erahnen. 

Hinzu kommen die verfahrenen Verhandlungen rund um den Brexit des Vereinigten Königreichs. 

Die Frage eines „Freihandelsabkommens“ zwischen der EU und Großbritannien berührt viel mehr als „nur“ dieHandelsbeziehungen, sondern es ist – über Nordirland – eine europäische Friedensfrage. Nordirland, dessen Frieden ja auf dem Karfreitagsabkommen beruht, darf nicht wieder komplett von der EU abgeschnitten werden. 

Die Wahlbeteiligung zum Europä­ischen Parlament war im ver­gangenen Jahr überraschend gut – eine Verpflichtung der europäischen Institutionen, ihre Bürger noch besser zu beteiligen?

Die Kirchen sind Teil der Europäischen Zivilgesellschaft und verstehen sich als überparteiliche Foren der Bürgerbeteiligung. Eigentlich sollte am 9. Mai dieses Jahres, dem Europatag, der Startschuss für eine dezentrale „Konferenz zur Zukunft Europas“unter ausdrücklicher Einbindung der Bürger gewesen sein, um neue Perspektiven für den europäischen Integrationsprozesszu entwickeln. Die Konferenz musste wegen Corona zunächst verschoben werden. Wir als Kirchen hoffen, dass diese Bürgerforen unter der deutschen Ratspräsidentschaft nicht in Vergessenheit geraten. Es geht schließlich darum, die Bürger und ihre Ideen gerade in Krisenzeiten zu konsultieren und zu beteiligen.  

Das Interview führte Uli Schulte Döinghaus.

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1. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.
2. "Kontrast könnte nicht größer sein" Wolfgang Banse Die evangelische, protestantische Kirche sollte eindeutig Stellung, Position beziehen, wo sie steht im Bezug was die AFD betrifft.Lippenbekenntnisse sind nicht gefragt, sind fehl am Platz.Die Kirchen sollten sich intensiv beteiligen Ausländerfeindlichkeit, im Bezug:"Suchet der Stadt Bestes" Das Wächteramt, welches die Kirchen inne haben, sollte zum Vorschein kommen, im Bezug Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit.Aus der jüngsten deutschen Geschichte, hier 1933 bis 1945 sollten Lehren gezogen werden.Die Kirchen sind KPÖR, dieses sollten sie leben, erfahrbar werden lassen, im Bezug AFD. In drei neuen Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.Beide Amtskirchen sollten ein gemeinsames Wort zu den jeweiligen anstehenden Landtagswahlen herausgeben, im Hinblick auf die AFD.Flagge,Gesicht zeigen,wo für die Kirche, die Kirchen im Jahr 2024 stehen.
3. Alamierende Zahlen 28.06.2023 Mehr als eine halbe Million Menschen sind im Jahr 2022 aus der katholischen Kirche ausgetreten (https://die-kirche.de/news-detail/nachricht/alamierende-zahlen.html) Eva Anmuth Alarmierende Zahlen? Wundert es Sie noch? Ich sehe (auch meine) Kirchengemeinden im Untergang, da sind die Zahlen für mich nicht mehr alarmierend: Klimafasten, Gender, Inklusion, Rassismusfreie Kirchen, Rassismus, Befreiungstheologie, sozial-links-tendierende Kirche, Fridays for Future, LGBTQ-Kirche, Politisierung der Kirche, wenige Seelsorgeangebote mit Pfarrern und Diakonen, Burn-Out der Pfarrer und Ehrenamtlichen, kaum Ausbildung und Zulassung von Laien am Altar und Sakrament, moderne populäre Musik (u.a. Gottesdienste mit Band) usw.
Wir Christen sind klassischerweise Konservativ – jedoch das Alleinstellungsmerkmal zieht keinen an.
Ein klarer Missionsauftrag durch das Evangelium mit Ausrichtung auf den Heiligen Geist und dazu ein diakonischer Auftrag an und um den Menschen in der Gemeinde. Der Missionsauftrag kann nur gelingen, sofern sich die Suchenden sich nicht bekehren. Die Kirche (inkl. der EKBO) hat keinen Bekehrungsauftrag mehr – dieser fehlt in fast allen Gemeinden (und ja es gibt Ausnahmen). Christuszentriertheit mit Anbetung und Lobpreisung des Herrn.
Mit Blick auf Lateinamerika blüht das Land auf: Charismatisch-katholische Kirchen und charismatisch-pfingstliche Gemeinden sind seid den 80ern im Trend und bieten vielen Christen Halt, Ermutigung, ein neues zu Hause und diakonische Gemeinschaft ohne viel Zusätzliches. Dazu haben viele Laien mehr Beteiligungsrechte und die Reformbewegung kommt in den Gang. Martin Luther würde sich im Grabe umdrehen, wenn er „seine“ Kirche heute sehen würde. Ich glaube er würde heulen und Thesen gegen seine eigene Kirche entwickeln.

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