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Wo Ost und West zusammenwachsen

Die Kirchengemeinde Kleinmachnow baute für ihre vielen Gemeindeglieder knapp 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine neue Kirche

Kleinmachnow Kirche
In der Neuen Kirche im Gemeindezentrum kann Pfarrer Jürgen Duschka genug Platz anbieten – mit Blick auf die Dorfkirche, die zu klein für die mehr als 5000 Gemeindeglieder ist.

Von Susanne Atzenroth

Der Blick fällt auf die Backstein­kirche von 1597. Das Kirchenschiff mit spitzbogigen Fenstern, drumherum der Kirchhof – ein Ensemble, wie es an vielen Orten unserer Landeskirche in Brandenburg zu finden ist. Das Besondere an dieser Dorfkirche ist, dass sie hinter bodentiefen Glasscheiben steht – sofern die Betrachterin oder der Betrachter im großen Saal der Neuen Kirche in Kleinmachnow sitzt: ein lichter, heller Raum mit einer Decke aus sichtbaren Holzsparren, die im Glasfirst den Blick auf den Himmel eröffnen. In der Höhe hängen große, runde Leuchten wie schwebend über den Stühlen, die bis zu 400 Personen Platz bieten. Vor nicht einmal zwei Jahren errichtete die Auferstehungs-Kirchengemeinde Kleinmachnow (Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf) ihr neues Gemeindezentrum, das neben dem großen Kirchsaal vier Gemeinderäume, Küche, Foyer und das Gemeindebüro beherbergt. 

Doch wozu braucht eine Gemeinde eine so große Kirche? Beispielsweise für meist mehr als 100 Konfirmanden und Konfirmandinnen, die in Kleinmachnow jedes Jahr eingesegnet werden. „Jetzt benötigen wir für die Konfirmation nur sechs Gottesdienste, wogegen es in der kleinen Kirche elf Durchgänge sein mussten, um die zugehörigen Familien zu fassen“, freut sich Jürgen Duschka, der seit 2003 Pfarrer in der Gemeinde ist. 

„In Kleinmachnow hat sich die Einwohnerzahl seit Anfang der 1990er Jahre verdreifacht“, erläutert er. Schon vor der Wende gab es hier eine aktive Kirchengemeinde. Mit dem Zuzug vieler Familien, bedingt durch die Verlegung der Hauptstadt von Bonn nach Berlin oder weil große Firmen ihren Sitz in die Metropolregion verlagerten, hat sich dann die Gemeindegliederzahl noch einmal erheblich erhöht. 5300 sind es aktuell, bei 20000 Einwohner*­innen des Ortes. 

Viele dieser Familien stammen aus westlichen Regionen Deutschlands, in denen Kirchenzugehörigkeit und Engagement in der Gemeinde selbstverständlich sind. So kann auch die Kantorei der Gemeinde unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Karsten Seibt stolz sein auf die stattliche Anzahl von 400 Sängerinnen und Sängern in den sieben Chören – vom Spatzenchor für die Jüngsten bis zum anspruchsvollen großen Erwachsenenchor. Für die Auftritte in den verschiedenen Formationen und zu den Höhepunkten des Kirchenjahres, die in Kleinmachnow immer auch musikalisch geprägt sind, ist jetzt ausreichend Platz in den eigenen Räumen. 

Umstrittener Neubau

Die Neue Kirche grenzt an der einen Seite an den Zehlendorfer Damm, an der anderen an das ehemalige Gutsgelände derer von Hake und an der Stirnseite an die nur 50 Meter entfernte ehemalige Gutskapelle der Adelsfamilie, die jedoch in Kleinmachnow schon immer die „Dorfkirche“ war. Wie die Dachsparren ist auch der Altar im großen Saal aus schlichtem, hellem Holz gefertigt. Darüber steht auf der Empore, die ab dem nächsten Jahr eine Orgel tragen wird, ein einfaches Kreuz aus dunklem Holz. Es will so gar nicht zu dem restlichen, aufeinander abgestimmten Interieur passen und scheint aus einer anderen Zeit zu stammen, ebenso wie die Holzfiguren, die den Altar flankieren. Tatsächlich wanderten diese Kunstgegenstände aus der alten Auferstehungskirche im Zentrum des Ortes hierher. Sie wurde in den 1950er Jahren errichtet und wenige Tage vor der Einweihung der Neuen Kirche am Karfreitag 2018 entwidmet – sie war für die schnell wachsende Gemeinde viel zu klein geworden. Die Kommune erwarb die Auferstehungskirche und richtet darin derzeit ein Museum zur Geschichte von Kleinmachnow ein. 

Dreieinhalb Millionen Euro kostete der Bau der Neuen Kirche am Zehlendorfer Damm, der in der Gemeinde nicht unumstritten war. „Es gab heiße Debatten und eine Spaltung in der Gemeinde“, erinnert sich Cornelia Behm, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates. Diskutiert wurden Umweltschutzgründe, die Lage am Rande des Ortes und auch die hohen Bau- und Unterhaltungskosten, die die Kirchengemeinde zu stemmen haben würde. Im Gemeindekirchenrat sei die Stimmung jedoch einhellig gewesen, so Cornelia Behm. Zwar habe auch sie selbst anfänglich Bedenken gehabt, letztlich sei sie von der Notwendigkeit überzeugt worden. „Jetzt bin ich über die Entscheidung glücklich“, sagt die gebürtige Kleinmachnowerin, die bis 2013 für die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ im Bundestag saß. 

Schon als Jugendliche war sie in der Kleinmachnower Kirchengemeinde zu Hause. Von dort gingen in den späten 1980er Jahren wichtige Impulse für die politische Wende aus. Der damalige Pfarrer Reinald Elliger lud Schriftsteller wie Stefan Heym und Stephan Hermlin zu Lesungen ihrer Werke ein. Auch in jener Zeit fasste die Auferstehungskirche kaum die, die kamen, um zu hören und zu diskutieren. „Ich bin durch die Arbeit in der Kirche politisiert worden“, sagt Cornelia Behm rückblickend. Ab 1990 brachte sie sich zwölf Jahre lang in der Gemeindevertretung ihres Heimatortes ein, bevor sie 2002 in den Bundestag gewählt wurde. Auch heute sind in den Fraktionen der Parteien oder Ämtern des Ortes zahlreiche Mitglieder der Kirchengemeinde vertreten. 

Rettungsaktion für die alte Dorfschule 

An vielen Stellen in der Kirchengemeinde wird das gute Miteinander der schon lange hier Lebenden und der später Hinzugezogenen deutlich. „Wir sind ein Paradebeispiel für das Zusammenwachsen von Ost und West“, fasst die ehemalige Politikerin zusammen. 

Bis zu 60 Interessierte besuchen beispielsweise das „Erzählcafé“, eine Vortragsveranstaltung, bei der ältere und jüngere Menschen zu Kleinmachnower Geschichte(n) ins Gespräch kommen. Der rührige „Förderverein Begegnungsstätte Alte Schule“ sorgt mit zahlreichen weiteren Angeboten wie Ausstellungen, Lesungen oder Konzerten für ein vielfältiges Kulturangebot. Viele davon finden in der Alten Schule gegenüber der Neuen Kirche statt. Außerdem haben hier ein gut besuchtes Eltern-Kind-Café und ein Begegnungscafé für Geflüchtete ihren Platz, ein wunderschön angelegter Garten lädt zum Verweilen ein.  

Kultur- und Kirchenstandort dezentral stärken

Eigentlich hätte die Kirchen­gemeinde das 1848 erbaute Gebäude, bis 1936 die „Tüffelschule“ (Tüffel sind Holzpantinen) genannte Dorfschule des Ortes, verkaufen müssen, um ihre Kreditverbindlichkeiten langfristig bedienen zu können – so sah es eine Auflage des Konsistoriums vor. Eine Stiftung sprang ein und rettete das historische Gebäude, in dem sie innerhalb von zwei Jahren die notwendigen 250000 Euro durch Spenden einwarb. „Wir wollten das Haus und den schönen Garten unbedingt für die Gemeinde erhalten“, so Bodo Bohn, Gründungsmitglied der Stiftung und stellvertretender Vorsitzender im „Förderverein Begegnungsstätte Alte Schule“. Die 2014 gegründete Stiftung „Kirche und Kultur im alten Dorf“ ist in Trägerschaft der Kirchengemeinde und wirkt eng mit dem Förderverein zusammen. „Manchmal sind wir erstaunt, was wir alles geschafft haben“, so Bodo Bohn.

„Mit dem Dreiklang Dorfkirche, Neue Kirche im Gemeindezentrum und der Alten Schule wollen wir diesen dezentralen Kirchen- und Kulturstandort stärken“, betont der Kleinmachnower, der auch viele Jahre GKR-Vorsitzender war. Zur Enthüllung einer Informationstafel mit QR-Code, die seit dem 21. Juli über die Alte Schule, als ältesten Profanbau des jungen Ortes Auskunft gibt, kamen natürlich auch Bürgermeister und Landrat – allesamt engagierte Gemeinde­­glieder.

Veranstaltungstipp: 

Open-Air-Jugendgottesdienst und Konzert am Samstag, 8. August, um 20 Uhr vor der Kirche in Kleinmachnow.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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