Herr Antoine, wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken – was war Ihnen wichtig?
Das Konsistorium ist für die Kirchenkreise und Kirchengemeinden ein wichtiger Dienstleister. Die rechtlichen Regelungen in der Landeskirche müssen praktisch ausgerichtet und hilfreich sein. Tatsächlich verschiebt sich aber die Bedeutung hin zu Unterstützungsleistungen zum Beispiel im Bereich Umweltmanagement und Öffentlichkeitsarbeit, IT-Dienstleistungen oder Immobilienmanagement. Besonders wichtig waren mir deshalb die Modernisierung des Konsistoriums und gute Arbeitsbedingungen, die intensivere Zusammenarbeit mit der mittleren Verwaltungsebene und der Abbau von Barrieren gegenüber der privatrechtlichen Diakonie.
Was hat sich während Ihrer Amtszeit im Konsistorium geändert?
Wir haben unter andrem Jahresgespräche, Gesundheitsmanagement, Sportangebote, Einarbeitungschecklisten, Führungskräftefortbildungen, Hilfe bei Sucht, Personalentwicklung, Wohnungsangebote und mobiles Arbeiten eingeführt. Das Konsistorium ist dank des Engagements der Beschäftigten umweltzertifiziert und demnächst auch familienzertifiziert. Unsere Veränderungen der letzten Jahre betrafen auch die Arbeitsmethoden im Konsistorium. Wir erarbeiten Jahresziele, planen unsere Ressourcen und überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden. Dabei gehen wir kritisch und konstruktiv mit uns ins Gespräch. Ein Beschwerdemanagement soll sicherstellen, dass wir Kritik ernst nehmen. Mit Hilfe eines Vorschlagswesens ermutigen wir die Mitarbeiter*innen, selbst Veränderungsvorschläge einzubringen. Für Projekte, die sich oft mit komplexen Problemen beschäftigen und kostenintensiv sind, haben wir Projektstandards eingeführt.
Wie steht es mit den Strukturen der Landeskirche? Ist die EKBO modern genug?
Die Organisationsstrukturen der Landeskirche sind oft zu kleinteilig und nicht auf die Anforderungen zugeschnitten, die stärkere staatliche Regulierungsanforderungen, Mitgliederrückgang und Geldknappheit mit sich bringen. Die staatlichen Anforderungen an die kirchliche Verwaltung werden andauernd höher geschraubt. Wir müssen aber die Verwaltung perspektivisch zurückbauen und nicht ausbauen.
Und das bedeutet konkret?
Jede zusätzliche Gemeinde bedeutet zusätzlichen Begleitungsaufwand und muss alle rechtlichen Anforderungen an Datenschutz, Arbeitssicherheit, IT-Sicherheit, Prävention vor sexueller Gewalt, Abführung von Steuern, ordnungsgemäßer Bewirtschaftung unter anderem sicherstellen. Deshalb können wir uns Kleinstgemeinden auch wirtschaftlich nicht mehr leisten. Das Mindestmitgliederzahl-Gesetz verlangt deshalb Fusionen, die wir kommunikativ und unterstützend begleiten.
Womöglich zulasten der Eigenständigkeit, des Selbstbewusstseins und der Profilbildung in den Kreisen und Gemeinden?
Wir sollten mehr nach vorn schauen, was das kirchliche Profil stärkt und dort fördern, wo der Glaube weitergetragen wird. Auch müssen wir stärker überparochial denken. Zwei Konfirmand*innen sind noch keine Gruppe, in der junge Menschen sich wohl fühlen. Wichtig ist, dass wir als EKBO eine Kirche der Vielfalt und der Autonomie der Gemeinden und Kirchenkreise bleiben. Die EKBO ist besonders bei jungen Pfarrer*innen wegen ihrer Vielfalt und liberalen Grundhaltung beliebt. Fast alle anderen Landeskirchen haben dagegen große Rekrutierungsprobleme bei Pfarrer*innen.
Wo hätten Sie sich gewünscht, in Ihrer Dienstzeit mehr zu erreichen?
Mit der mittleren Verwaltungsebene haben wir neue Strukturen der Zusammenarbeit auf Augenhöhe aufgebaut. Wir stehen aber erst am Anfang der erforderlichen Veränderungen. Die kirchlichen Verwaltungsämter sind in der Region unverzichtbar, aber sie werden ihre Aufgaben in Zukunft nur lösen können, wenn sie stärker gemeinsam arbeiten, zum Beispiel in einer gemeinsamen IT-Landschaft. Sie werden auch Schwerpunktämter bilden (müssen), etwa wenn es um Vermögensanlage oder Erbbaurechte geht.
Mehr Bewegung hätte ich mir auch in der Gleichstellung von Frauen und Männern gewünscht. Zwar konnten wir die Stelle eines Gleichstellungsbeauftragten wieder einrichten. In der mittleren Leitungsebene liegt der Frauenanteil im Superintendent*innenamt und in den Kirchlichen Verwaltungsämtern unter 25 Prozent. Ich hätte mir hier eine Quotierung vorstellen können, blieb aber mit diesem Vorstoß eher allein.
Wie haben Sie die Corona-Krise erlebt?
In den Gemeinden habe ich viel Engagement erlebt, um die Menschen weiterhin zu erreichen und ihnen beizustehen. Mancherorts war man aber auch zu ängstlich – in 2020 wurde es deshalb schwieriger, einen Weihnachtsgottesdienst zu finden. Als Konsistorium waren wir durchgehend präsent. Dank des großen Engagements unseres IT-Referats waren wir binnen zwei Wochen auf mobiles Arbeiten umgestellt. Die EKBO hatte bundesweit die erste digitale Synode.
Welche gesellschaftlich relevanten Themen treibt die EKBO besonders voran?
Wir hatten als eine der ersten Landeskirchen bereits seit Januar 2021 ein Klimaschutzgesetz, das die Klimaneutralität zum Ziel erhebt. Viele haben erst in den letzten Jahren mit der Flutkatastrophe im Ahrtal, der Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine und die Klimaveränderungen im Allgemeinen, die große Bedeutung des Klimaschutzes erkannt.
Zu sehen ist noch nicht viel davon. Solarpanele auf Gemeinde- oder Kirchendächern? Fehlanzeige! Und nur selten sorgen Windkraftanlagen auf Kirchenland für grünen Strom.
Solche Investitionen sind oft ein langwieriger Prozess. Photovoltaikanlagen auf Kirchendächern sind in der Regel nur möglich, wenn ein Kirchendach grundsaniert beziehungsweise statisch ertüchtigt wird. Hinzu kommen die Einwendungen der Denkmalschutzbehörden, mit denen wir aber in guten, offenen Gesprächen sind.
Sie waren und sind Aufsichtsrat in diakonischen Gesellschaften und Stiftungen. Warum?
Von der Diakonie können wir viel lernen: Diakonie ist Kirche unter Wettbewerbsbedingungen. Vielfach ist die Diakonie in ihren Arbeitsmethoden deshalb sehr erfolgreich und fortschrittlich. In der Diakonie wird originär Kirche gelebt. Mir war es wichtig, Wahrnehmungsbarrieren zwischen verfasster Kirche und privatrechtlicher Diakonie abzubauen.
Mit welchem Ergebnis?
Uns ist es zum Beispiel gelungen, mit der Diakonie hier in Berlin und im Umland ein innerkirchliches Vorkaufsrecht bei Grundstücken zu entwickeln. Dafür haben wir 2020 den Innovationspreis der Kirchen gewonnen. Kirchliche und diakonische Grundstücke und Immobilien, die zum Verkauf anstehen, können zum spekulationsbereinigten Verkehrswert (Bodenrichtwert 2014) vorrangig von der Landeskirche erworben werden, um für die kirchliche oder diakonische Arbeit weiterhin zur Verfügung zu stehen.
Sie wechseln nun von einer eher finanzschwachen Landeskirche zu der finanziell gut ausgestatteten Landeskirche in Württemberg, die fast dreimal mehr Einnahmen hat als die EKBO. Sie werden dort für das Finanzmanagement zuständig sein. Wird das Arbeiten unter geringerem wirtschaftlichen Druck leichter?
Es wird bestimmt anders. Aber auch in Württemberg muss die Haushaltsführung sparsam sein. Die dortige Landeskirche investiert viel in regenerative Energien und ist Vorreiterin bei der ethischen Vermögensanlage. Sie steht aber vor denselben Herausforderungen wie die EKBO: die Versorgungsdeckungslücke bei den Pensionen, die Frage der Zukunft der Staatsleistungen oder die Ersetzung des kameralen durch ein kaufmännisches Rechnungswesen.
Hat ein kirchlicher Finanzmanager Einfluss darauf, wohin das Geld fließt?
Vor allem muss der Finanzmanager für Transparenz gegenüber den Kirchensteuerzahlern und den kirchlichen Gremien sorgen. Er muss Rücklagen ertragreich, aber auch ethisch umsichtig anlegen. Finanzielle Mittel sind nur ein Instrument, um Gutes zu tun. Sie müssen deshalb auch an der richtigen Stelle ankommen. Das ist die Gesamtaufgabe einer Landeskirche.
„Informationsmanagement“ wird als Ihr künftiger Aufgabenbereich genannt. Was bedeutet das?
Die württembergische Landeskirche hat – am stärksten von allen Landeskirchen – eine Digitalisierungsstrategie mit Ausstrahlung auf andere Kirchen aufgestellt. Wir als EKBO arbeiten mit den Württembergern bereits in einer Portallösung zusammen. Ich wünschte mir, dass diese Zusammenarbeit noch intensiver wird. Es ist für diese Zusammenarbeit hoffentlich hilfreich, wenn ich den Blickwinkel der EKBO auf die andere Seite mitbringe.
Am Donnerstag, 10. November, 12 Uhr, findet auf der Herbsttagung der Landessynode ein Gottesdienst mit der Entpflichtung und Verabschiedung von Konsistorialpräsident Jörg Antoine statt.