Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

„Zu wenige Frauen im mittleren Management der EKBO“

Jörg Antoine (54) war seit Mai 2015 Konsistorialpräsident und Verwaltungschef der EKBO mit Sitz im Evangelischen Zentrum in Berlin-Friedrichshain. Nach fast acht Jahren übernimmt er im Januar kommissarisch die Leitung des Dezernats für Finanzmanagement und Informationstechnologie der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Im Interview mit Uli Schulte Döinghaus bilanziert er seine Berliner Jahre.

Jörg Antoine wechselt von der EKBO in die Landeskirche in Württemberg.Foto: Evangelische Bank

Herr Antoine, wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken – was war Ihnen wichtig?

Das Konsistorium ist für die Kirchenkreise und Kirchengemeinden ein wichtiger Dienstleister. Die rechtlichen Regelungen in der Landeskirche müssen praktisch ausgerichtet und hilfreich sein. Tatsächlich verschiebt sich aber die Bedeutung hin zu Unterstützungsleistungen zum Beispiel im Bereich Umwelt­management und Öffentlichkeits­arbeit, IT-Dienstleistungen oder Immobilienmanagement. Besonders wichtig waren mir deshalb die Modernisierung des Konsistoriums und gute Arbeitsbedingungen, die intensivere Zusammenarbeit mit der mittleren Verwaltungsebene und der Abbau von Barrieren gegenüber der privatrechtlichen Diakonie.

Was hat sich während Ihrer Amtszeit im Konsistorium geändert?

Wir haben unter andrem Jahresgespräche, Gesundheitsmanagement, Sport­angebote, Einarbeitungschecklisten, Führungskräftefortbildungen, Hilfe bei Sucht, Personalentwicklung, Wohnungsangebote und mobiles Arbeiten eingeführt. Das Konsistorium ist dank des Engagements der Beschäftigten umweltzertifiziert und demnächst auch familienzertifiziert. Unsere Veränderungen der letzten Jahre betrafen auch die Arbeitsmethoden im Konsistorium. Wir erarbeiten Jahresziele, planen unsere Ressourcen und überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden. Dabei gehen wir kritisch und konstruktiv mit uns ins Gespräch. Ein Beschwerdemanagement soll sicherstellen, dass wir Kritik ernst nehmen. Mit Hilfe eines Vorschlagswesens ermutigen wir die Mitarbeiter*innen, selbst Veränderungsvorschläge einzubringen. Für Projekte, die sich oft mit komplexen Problemen beschäftigen und kostenintensiv sind, haben wir Projektstandards eingeführt.

Wie steht es mit den Strukturen der Landeskirche? Ist die EKBO modern genug?

Die Organisationsstrukturen der Landeskirche sind oft zu kleinteilig und nicht auf die Anforderungen zugeschnitten, die stärkere staat­liche Regulierungsanforderungen, Mitgliederrückgang und Geldknappheit mit sich bringen. Die staatlichen Anforderungen an die kirchliche Verwaltung werden andauernd höher geschraubt. Wir müssen aber die Verwaltung perspektivisch zurückbauen und nicht ausbauen. 

Und das bedeutet konkret?

Jede zusätzliche Gemeinde bedeutet zusätzlichen Begleitungsaufwand und muss alle rechtlichen Anforderungen an Datenschutz, Arbeits­sicherheit, IT-Sicherheit, Prävention vor sexueller Gewalt, Abführung von Steuern, ordnungsgemäßer Bewirtschaftung unter anderem sicherstellen. Deshalb können wir uns Kleinstgemeinden auch wirtschaftlich nicht mehr leisten. Das Mindestmitgliederzahl-Gesetz verlangt deshalb Fusionen, die wir kommunikativ und unterstützend begleiten. 

Womöglich zulasten der Eigenständigkeit, des Selbstbewusstseins und der Profilbildung in den Kreisen und Gemeinden? 

Wir sollten mehr nach vorn schauen, was das kirchliche Profil stärkt und dort fördern, wo der Glaube weitergetragen wird. Auch müssen wir stärker überparochial denken. Zwei Konfirmand*innen sind noch keine Gruppe, in der junge Menschen sich wohl fühlen. Wichtig ist, dass wir als EKBO eine Kirche der Vielfalt und der Autonomie der Gemeinden und Kirchenkreise bleiben. Die EKBO ist besonders bei jungen Pfarrer*innen wegen ihrer Vielfalt und liberalen Grundhaltung beliebt. Fast alle anderen Landeskirchen haben dagegen große Rekrutierungsprobleme bei Pfarrer*innen.

Wo hätten Sie sich gewünscht, in Ihrer Dienstzeit mehr zu erreichen?

Mit der mittleren Verwaltungsebene haben wir neue Strukturen der Zusammenarbeit auf Augenhöhe aufgebaut. Wir stehen aber erst am Anfang der erforderlichen Veränderungen. Die kirchlichen Verwaltungsämter sind in der Region unverzichtbar, aber sie werden ihre Aufgaben in Zukunft nur lösen können, wenn sie stärker gemeinsam arbeiten, zum Beispiel in einer gemeinsamen IT-Landschaft. Sie werden auch Schwerpunktämter bilden (müssen), etwa wenn es um Vermögensanlage oder Erbbaurechte geht.

Mehr Bewegung hätte ich mir auch in der Gleichstellung von Frauen und Männern gewünscht. Zwar konnten wir die Stelle eines Gleichstellungsbeauftragten wieder einrichten. In der mittleren Leitungsebene liegt der Frauenanteil im Superintendent*innenamt und in den Kirchlichen Verwaltungsämtern unter 25 Prozent. Ich hätte mir hier eine Quotierung vorstellen können, blieb aber mit diesem Vorstoß eher allein. 

Wie haben Sie die Corona-Krise erlebt?

In den Gemeinden habe ich viel Engagement erlebt, um die Menschen weiterhin zu erreichen und ihnen beizustehen. Mancherorts war man aber auch zu ängstlich – in 2020 wurde es deshalb schwieriger, einen Weihnachtsgottesdienst zu finden. Als Konsistorium waren wir durchgehend präsent. Dank des großen Engagements unseres IT-Referats waren wir binnen zwei Wochen auf mobiles Arbeiten umgestellt. Die EKBO hatte bundesweit die erste digitale Synode.

Welche gesellschaftlich relevanten Themen treibt die EKBO besonders voran? 

Wir hatten als eine der ersten Landeskirchen bereits seit Januar 2021 ein Klimaschutzgesetz, das die Klimaneutralität zum Ziel erhebt. Viele haben erst in den letzten Jahren mit der Flutkatastrophe im Ahrtal, der Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine und die Klimaveränderungen im Allgemeinen, die große Bedeutung des Klimaschutzes erkannt. 

Zu sehen ist noch nicht viel davon. Solarpanele auf Gemeinde- oder Kirchendächern? Fehlanzeige! Und nur selten sorgen Windkraftanlagen auf Kirchenland für grünen Strom. 

Solche Investitionen sind oft ein langwieriger Prozess. Photovoltaikanlagen auf Kirchendächern sind in der Regel nur möglich, wenn ein Kirchendach grundsaniert beziehungsweise statisch ertüchtigt wird. Hinzu kommen die Einwendungen der Denkmalschutzbehörden, mit denen wir aber in guten, offenen Gesprächen sind. 

Sie waren und sind Aufsichtsrat in diakonischen Gesellschaften und Stiftungen. Warum?

Von der Diakonie können wir viel lernen: Diakonie ist Kirche unter Wettbewerbsbedingungen. Vielfach ist die Diakonie in ihren Arbeits­methoden deshalb sehr erfolgreich und fortschrittlich. In der Diakonie wird originär Kirche gelebt. Mir war es wichtig, Wahrnehmungsbarrieren zwischen verfasster Kirche und privatrechtlicher Diakonie abzubauen.

Mit welchem Ergebnis?

Uns ist es zum Beispiel gelungen, mit der Diakonie hier in Berlin und im Umland ein innerkirchliches Vorkaufsrecht bei Grundstücken zu entwickeln. Dafür haben wir 2020 den Innovationspreis der Kirchen gewonnen. Kirchliche und diakonische Grundstücke und Immobilien, die zum Verkauf anstehen, können zum spekulationsbereinigten Verkehrswert (Bodenrichtwert 2014) vorrangig von der Landeskirche erworben werden, um für die kirchliche oder diakonische Arbeit weiterhin zur Verfügung zu stehen. 

Sie wechseln nun von einer eher finanzschwachen Landeskirche zu der finanziell gut ausgestatteten Landeskirche in Württemberg, die fast dreimal mehr Einnahmen hat als die EKBO. Sie werden dort für das Finanzmanagement zuständig sein. Wird das Arbeiten unter geringerem wirtschaftlichen Druck leichter?

Es wird bestimmt anders. Aber auch in Württemberg muss die Haushaltsführung sparsam sein. Die dortige Landeskirche investiert viel in regenerative Energien und ist Vorreiterin bei der ethischen Vermögensanlage. Sie steht aber vor denselben Herausforderungen wie die EKBO: die Versorgungsdeckungslücke bei den Pensionen, die Frage der Zukunft der Staatsleistungen oder die Ersetzung des kameralen durch ein kaufmännisches Rechnungswesen. 

Hat ein kirchlicher Finanzmanager Einfluss darauf, wohin das Geld fließt?

Vor allem muss der Finanzmanager für Transparenz gegenüber den Kirchensteuerzahlern und den kirchlichen Gremien sorgen. Er muss Rücklagen ertragreich, aber auch ethisch umsichtig anlegen. Finanzielle Mittel sind nur ein Instrument, um Gutes zu tun. Sie müssen deshalb auch an der richtigen Stelle ankommen. Das ist die Gesamtaufgabe einer Landeskirche.

„Informationsmanagement“ wird als Ihr künftiger Aufgabenbereich genannt. Was bedeutet das? 

Die württembergische Landes­kirche hat – am stärksten von allen Landeskirchen – eine Digitalisierungsstrategie mit Ausstrahlung auf andere Kirchen aufgestellt. Wir als EKBO arbeiten mit den Württembergern bereits in einer Portallösung zusammen. Ich wünschte mir, dass diese Zusammenarbeit noch intensiver wird. Es ist für diese Zusammenarbeit hoffentlich hilfreich, wenn ich den Blickwinkel der EKBO auf die andere Seite mitbringe.

Am Donnerstag, 10. November, 12 Uhr, findet auf der Herbsttagung der Landessynode ein Gottesdienst mit der Entpflichtung und Verabschiedung von Konsistorialpräsident Jörg Antoine statt.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.